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H5 - Ein Sumpf zum Liebhaben

Michiyo Kumiko

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Beiträge
552
Alter
15 Jahre
Größe
1,60m
Fraktion
Shiro
Dorf
Kumo
Steckbrief
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CF: G4 – von Bäumen und Blüten

Wo ihr toller Prüfassistent sie letztendlich hinbrachte, gefiel Kumiko nicht, aber auch diesmal verzichtete sie auf eine Beschwerde. Ihr Ziel war es, dieses Examen zu bestehen und dazu musste sie zeigen, dass sie ein guter Ninja war – und gute Ninjas passten sich an. Wo hatte der ältere Mura-kun sie hingebracht? Augenscheinlich hatte sie es mit einer Sumpflandschaft zu tun, die von einem einzigen, riesigen Baum beherrscht wurde. Dieser war gewaltig und weit verzweigt – von dort aus dürfte man so ziemlich die perfekte Observationsposition innehaben – und auch der Gedanke, von irgendjemandem, dessen Qualitäten sie nicht kannte, beobachtet zu werden, schmeckte der Blondine nicht. In der Tat wusste sie ja noch nicht mal, mit wem sie hier festsitzen würde, geschweige denn, wie sie auf ihn reagieren sollte. Die einzigen sicheren Infos, die sie hatte, waren, dass sie es mit einer Sumpflandschaft zu tun hatte, dass hier irgendwo noch jemand sein musste und dass es im Idealfall darauf hinauslief, dass sie sich mit diesem Jemand einen Zweikampf lieferte. Und sonst? Nichts. Aber das bedeutete auch, dass ihr Gegner hoffentlich genau so wenig Informationen hatte – oder vielleicht … hoffentlich … sogar noch weniger. Ihr Begleiter ließ sie bald wortlos, aber freundlich nickend alleine, um sie ihrem Schicksal zu überlassen. Kumiko vertat natürlich keine Zeit, sondern versuchte umgehend, sich ein Bild von ihrer Umgebung zu machen.
Ins Auge fiel natürlich der riesige Baum, von dem die Taijutsuka mutmaßte, dass er sich perfekt als Orientierungspunkt eignen würde. Genauso ging sie aber auch davon aus, dass sie dies nicht allein so sehen würde und beschloss, diesen Umstand für sich auszunutzen. Ohne einen Sekundenbruchteil abzuwarten, schoss das Blondchen auf den Baum zu, um etwaig ähnlich denkenden dabei zuvor zu kommen, dieses Ding für sich zu nutzen. Ungebremst schoss der kleine, gelbe Blitz durch die Sumpflandschaft, um hoffentlich zuerst das Ziel zu erreichen und mit etwas Glück nicht auf unliebsame Überraschungen zu treffen, die dort eventuell später auf sie warten könnten, wenn sie nichts unternahm. Als sie dann endlich ankam, schien zumindest auf den ersten Blick noch niemand außer ihr da zu sein. Den Gedanken, ihre Umgebung ordentlich zu prüfen, verwarf sie zugunsten ihres Zeitvorteils, so lange er noch anhielt. Fix führte die Blondine die Hände zusammen und formte geübt eine Kette Fingerzeichen. Diese veranlassten das Sumpfige Wasser in der Umgebung zunächst zwei Dellen auszubilden, die sich langsam in die Höhe schoben und an denen sich bald zeigte, dass es wohl das Ziel des Mädchens war, Mizu-Bunshin zu erschaffen, die sie in diesem Examen auffällig häufig nutzte – aber wozu brauchte sie sie diesmal?

Langsam aber sicher schob sich die Sonne hinter den Horizont und würde die gesamte Insel sicher bald in tiefe Dunkelheit tauchen. Ob es in diesem Falle klug wäre, ein Feuer zu entzünden, nur um sich warm zu halten, war mehr als fraglich, aber es gab einen tieferen Sinn hinter dem ersten Befehl, den die Blondine einem ihrer Bunshin gab. Dieser sollte sein Möglichstes tun, brauchbares Holz für ein Feuer zusammenzutragen, während der zweite ein vollständiges Nachtlager herrichtete und eine rudimentäre Feuerstelle erschuf – ihr Gegner sollte sie finden. Was machte das Original in der Zwischenzeit? Die echte Kumiko suchte nach einer vernünftigen Stelle in gesundem Abstand zu der Feuerstelle, die zumindest für diese Umgebung halbwegs trocken war. Ihr Ziel war es, ein kleines Loch zu graben und es fachgerecht zu tarnen, um sich selber darin zu verbergen. Das Grundwasser in Sumpfgebieten stand erfahrungsgemäß hoch, sodass sie sicher kein besonders tiefes Loch hinbekommen würde, wenn sie nicht das Risiko eingehen wollte, dass es irgendwann volllief, während sie drin lag. Mit etwas Glück schaffte sie eine Kuhle, die nicht auffiel, wenn sie sich flach hineinlegte, aber selbst dabei bestand das Risiko, dass der Untergrund aufwich. Wie sah die Umgebung aus? Als Ort für ihr Nachtlager hatte sich Kumiko eine große Wurzelgabel ausgesucht, die V-Förmig an zwei Seiten von großen Wurzelranken verdeckt wurde. Direkt am Fuße des großen Baumes gelegen, blieben damit lediglich zwei Richtungen, einen offenen Angriff zu starten, übrig – die nicht von Wurzeln überdeckte, dritte Seite, oder die Höhenlage vom Baumstamm aus. Auch wenn dieses Lager dazu diente, ihren Widersacher anzulocken, sollte es schließlich nicht zu einfach aussehen, sonst roch er womöglich noch die Dreifachfalle, die das Blondchen in der eigentlich ziemlich matschigen Rübe ersonnen hatte.
Natürlich bereitete sich ein Nachtlager nicht in drei Minuten, sodass die Schatten merklich an Länge gewonnen hatten, als Kumiko die Feuerstelle. Den Schlafplatz und die winzige Kochgelegenheit nebst einer kleinen Eidechse, die als Kochmaterial herhalten musste, hatte sie in einer spontanen Idee mit angefügt, um die Sache noch ein bisschen echter aussehen zu lassen. Aber nachdem dann endlich alles soweit am Lager vorbereitet war, gab es noch eine Sache zu tun: Das Material, das sie kürzlich im Wald wieder eingesammelt hatte und der Rest, den sie noch hatte, musste sie jetzt investieren. Zusammen mit ihren beiden Bunshin kraxelte die Blondine den dicken Baumstamm hinauf, um jede komfortable Astgabelung, jedes größere Astloch und jede Beobachtungsposition, die sie irgendwie finden konnte, mit Fallen zu spicken – mit etwas Glück fiel ihr Kontrahent ja mit einem lauten Knall vom Himmel. In dem Fall war das falsche Nachtlager zwar völlig umsonst, aber ihr Feind immerhin erledigt. Ihr Vorgehen erschwerte es sicher merklich, eine erhöhte Beobachtungsposition auf dem Baum einzunehmen, bedeutete aber auch, dass sie diese Option damit auch selbst nicht mehr hatte, sobald es dunkel war und sie sich unmöglich merken konnte, wo genau sie all ihre Fallen untergebracht hatte.

Nach getanem Werk kehrten die drei Kumikos zum provisorischen Nachtlager zurück und teilten sich dort auf: Einer der Bunshins entzündete das Feuer, das in der fortschreitenden Dunkelheit sicher weithin sichtbar sein dürfte. Was tat das Original? Das legte sich – nachdem es die Kuhle mit einer ihrer Ersatzkleidergarnituren ausgelegt hatte, um sich warm und trocken halten zu können, in die Kuhle hinein. Der zweite Bunshin bedeckte das Original mit einem kurzerhand gefällten Gebüsch, um die Annahme, dass dort eine unnatürliche Geländestruktur sein könnte, zu zerstreuen und ließ sich dann selbst versteckend in einem hinreichend großen Strauch verbarg. Jetzt kam der langweilige Teil – abwarten. Kumiko war davon überzeugt, dass diese Position ihrem Kontrahenten im Laufe der Nacht auffiel und wollte abwarten. Trotzdem schweiften ihre Gedanken gelegentlich ab, so untypisch es auch für sie war, dieser Tag forderte langsam aber sicher seinen Tribut.
Warum war sie hier gelandet? Wieso nahm sie an diesem Examen teil, beziehungsweise, warum war sie überhaupt Ninja geworden. Kumiko dachte gerade über letzteren Grund nicht sehr gerne nach, denn inzwischen kam es ihr wie eine ausgekochte Dummheit vor: Ursprünglich wollte sie Rache. So kitschig es klang, sie wollte Rache dafür nehmen, dass irgendjemand, den sie noch nicht mal kannte, ihre Ziehmutter um die Ecke gebracht hatte. Bis heute wusste sie nicht, wer es getan hatte und deshalb war dieses Ziel auch ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem … hatte die Blondine mit der Zeit lernen müssen, dass dies das normale Schicksal eines Ninjas war, und ihr Mörder sicher noch nicht mal böse Absicht gehabt haben musste – es reichte, wenn er lediglich pflichtbewusst war und seine Interessen sich von ihren unterschieden haben, als sie sich begegneten. Als kleines Dötzchen hatte Kumiko diese Tatsache nicht begriffen und war – gegen den Willen ihres Vaters wohlgemerkt – aufgebrochen, um selber ein Ninja zu werden. Selbstredend hatte sie mit ihren Racheplänen keinen Erfolg, obwohl sie wirklich alles dafür aufgegeben hatte. Sie hatte darauf verzichtet, etwas zu führen, das sich als Leben bezeichnen ließ, mehr eine Existenz, die sie fristete und auch darauf verzichtet, Freunde zu finden, um dieses eine Ziel zu erreichen.
Warum hatte sie ihren Dienst nicht einfach quittiert? Das war in der Tat eine gute Frage, aber ihre eigene Antwort war, zumindest für sie selber eine ganz einfache: Shinobi war nicht nur ein Beruf, sondern eine lebenslange Verpflichtung. Sie hatte sich die Suppe eingebrockt und musste jetzt damit leben, bis sie vielleicht irgendwann auf einer Mission starb. Zurück konnte sie längst nicht mehr, nachdem sie alle Brücken hinter sich eingerissen hatte und unfähig war, in der Gegenwart und Zukunft aus eigener Kraft neue zu bauen. Die Blondine existierte nur noch, um ihre Missionen zu erfüllen und sich jeweils auf die Nächste vorzubereiten – und irgendwo im Hintergrund war da vielleicht noch das Verlangen, Minako zu übertreffen, die es nie über den Rang einer Genin hinaus geschafft hatte. So gesehen war diese Nacht ihre Chance darauf, zumindest das realistischere ihrer Lebensziele zu übertreffen und dafür wollte sie notfalls alles opfern … alles.
 
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