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Maskenball - Westlicher Teil der Tanzfläche

Katarite

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Ein verdecktes Gesicht hatte Vor- und Nachteile. Man war vollkommen geschützt vor neugierigen Blicken – oder zog sie an, je nachdem wie man die Sache betrachtete. Während man bei anderen Gästen anhand von Nasen- und Mundpartie zumindest erahnen konnte was sich darunter verbirgt war ich ein Buch mit sieben Siegeln. Wunderschön war genauso möglich wie hässliche Brandnarben oder anderweitige Verstümmelungen des Gesichts. Anderseits war die Aufnahme von Essen und Trinken eine Kunst für sich, sofern man sich nicht einen pinken Plastikstrohhalm unter die Maske klemmen wollte (nie im Leben). Es gab ja immer noch andere... Wege.
Es war noch früh am Abend, niemand schaute allzu tief ins Glas und alle waren munter und fröhlich. Zumindest diejenigen die ich auf der Tanzfläche erkennen konnte. Es gab natürlich auch die Miesepeter die sich irgendwo am Buffet herumdrückten oder in dunklen Ecken lauerten und von sich selbst behaupteten sie wären „Beobachter“. Schwachsinn, sage ich! Die waren nur unfähig das Tanzbein zu schwingen.
Als das Lied langsam ausklang befreite ich mich aus der etwas zu starken Umklammerung eines Arztes (bestimmt Chirurg, dieser Metzger!) und verbeugte mich leicht. Das war der erste von vielen Tänzen an diesem Abend gewesen und während einige Gäste wohl dachten ihre Pflicht erledigt zu haben und zur Bar tilgern zu können blieb ich wacker stehen, sah mich nach einem neuen Tanzpartner um und entdeckte eine vielversprechende Gestalt. Ja, sie war etwas entfernt und eigentlich forderte der Mann die Frau heraus, aber mal ehrlich: Welcher Kerl fühlte sich nicht geschmeichelt wenn „Sie“ den ersten Schritt machte? Die ganze Unsicherheit war damit hinfort und er konnte sich wie ein Gewinner fühlen. Arbeit getan. Während Männer sich den Arsch aufreißen mussten reichte in der anderen Richtung ein gekonnter Augenaufschlag mit einem sanften Lächeln. Beides fiel dank Maske an diesem Abend weg, aber es ging ja auch nur um einen Tanz, nicht wahr?
Ein interessantes Kostüm hatte sich dieser junge Mann für den Abend herausgesucht und ich musste wie schon so viele Male lächeln. Schnellen Schrittes schlängelte ich mich gekonnt durch einige Gäste um passend zum nächsten Lied (ein winzigen Tick schneller als das Vorherige) vor unserem Freund mit dem Hut und aufgeschlagenem Kragen zu stehen. Ich lächelte immer noch, doch alles was der Fremde mitbekam war ein kurzes Kichern.
„Ich rieche... Vanille?“, fragte ich und legte den Kopf etwas schief, wodurch mir mein rotes Haar über die nackten Schultern glitt.
 

Hiragana Kayros

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Antwort Post #10


Seine Tanzpartnerin machte einen Knicks und der junge Mann verbeugte sich ganz seinerseits, wie es die Etikette gebot. Nein, beim besten Willen konnte sie eine Kunoichi sein, dazu musste er viel zu oft vom Takt der Melodie abweichen, um ihr trotzdem einen halbwegs angenehmen Tanz zu bescheren. Auch wie sie sich an der führenden Hand klammerte und ihm fast damit den Samthandschuh abstreifte, machten es dem jungen Herren schwer, seinen Blick an ihr haften zu lassen.
Allerdings hatte sie Stil, und das war in dieser Welt mehr wert als alles Talent in sonstigen weltlichen Fähigkeiten. Für diesen Abend war der Schein zum Sein geworden, und dies beflügelte jeden, einmal über sich hinauszuwachsen. Toshirou war da keine Ausnahme, aber ein Stück Realität folgte ihm überall hin – sogar auf die Toiletten, wenn er sich dorthin aufmachen würde.
In einem Meer aus Düften genau den wahrzunehmen, der einem die Möglichkeit eröffnete, ein Gespräch zu beginnen, oder zumindest Kontakt mit einer Person aufzunehmen, das war ein Talent allerhöchster Güte. Es war ohnehin schwierig, die Nuancen eines Odeurs genau zu bestimmen, wenn einmal die Kopfnote, also die leichten Duftstoffe, verflogen ist und sich die Basis schwerer als vorher verbreitet. Dazu kamen die zahllosen anderen Gerüche, die vom Schweiß der Menschen, von der Pomade des Fleisches und vom Blütenstaub der Bouquets ausgingen und sich in der eher stehenden Luft zu einem schwer definierbaren Ganzen vermengten. Dennoch ist es durchaus möglich, wenn man sich an der Quelle des Parfums aufhielt, die wichtigste Ingrediens zu wittern.
Toshirou drehte sich langsam zu der jungen Frau um. Rötlich-braunes Haar, vielleicht ein wenig durch das indirekte Licht verfälscht, umrahmte eine helle Maske. Dazu ein schulterfreies, mit Strass oder Pailletten besetztes blaues Kleid, je nach Preisklasse.
Die Vogelmaske, deren Schnabel durch den glänzenden Lack besonders schwer war, wurde mit einer ruhigen Bewegung wieder zurechtgerückt. Unter Umständen konnte sein Gegenüber die Spur eines Lächelns aus der unteren Gesichtspartie ausmachen, sofern er sich die Mühe machte, darauf zu achten. Viel entscheidender war es hingegen, das sanfte Nicken wahrzunehmen. Die junge Frau gefiel, und gerade deshalb machte sich der junge Mann alle Mühe, die Etikette bis ins letzte Detail zu perfektionieren. Er machte einen Schritt auf sie zu, deutete eine Verbeugung an, lächelte hinter der Maske. Seine Augen strahlten eine unschuldige Freude aus, sofern man ihren Blick interpretieren vermochte. Er zog seinen rechten Handschuh zurecht, schließlich wollte er seiner Tanzpartnerin einen festen Halt bieten, ehe er ihr seine Rechte entgegenstreckte.
Für einen Augenblick setzten die Streicher aus, die Schritte der Tänzerinnen und Tänzer wurden langsamer. In wenigen Augenblicken begann die schönste Passage des Stückes, den die Musiker meisterhaft darboten. Die Haltung des Körpers übernahm die Frage des Mundes. Worte waren an dieser Stelle eindeutig überflüssig. Was zählte, waren die Taten. Es lag etwas in der Luft. War es nur Spannung vor der Fremden, waren es geheime Gefühle oder war es die Aussicht darauf, dass dieser folgende Tanz für beide wohl unvergesslich werden würde?
 
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Katarite

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Antwort Post #5

Es war fast schon abstoßend. Keiner konnte mich sehen und trotzdem lächelte ich andauernd an diesem Abend. Dabei war das die Gelegenheit die höfliche Fassade ablegen zu können, den mächtigsten Männern des Landes eine Grimasse schneiden – niemand würde es je mitbekommen. Und dennoch lächelte ich, legte einen eleganten Knicks hin und ergriff die Hand meines Gegenübers.
Der Stoff seiner Handschuhe lag sehr sanft auf meiner Haut; ein Zeichen für Qualität und Preis. In Momenten wie diesen fragte ich mich gerne ob ich etwas anders hätte machen sollen. Mein Kleid, ein Geschenk, gegen ein eigenes tauschen? Selbst Handschuhe und mehr Schmuck anlegen? Dann sagte ich mir: Was war so schlimm an nackter Haut?
Das Lied zudem wir tanzten war ohne großen Zweifel ein kleines Meisterwerk. Ich kam nicht oft in den Genuss solch erlesene Musiker in ihrem Element zu hören, noch in einem solch eingespielten Ensemble. Es gab ruhige und schnelle Stellen. Teils zwang dieses Stück einem Nähe und Intimität auf, dann wieder Wildheit und Koordination. Manchmal dachte ich es war unberechenbar und formte die Tänzer nach seinem Willen, dann musste ich darüber schon wieder lachen. Ich lachte während des Tanzes sogar einige Male und ich war mir sicher, dass mein bisher allzu stummer Partner dies nicht einfach überhörte. Ich weiß bis heute nicht ob es an dem Lied, dem Ball oder an etwas anderem Lag doch wir schwiegen in Übereinkunft. Weder ich noch er hatten große Lust diesen Tanz durch unnötige Worte zu verderben, das Risiko einzugehen dadurch von den Schritten, dem Takt und der Bewegung abgelenkt zu werden. Das Ergebnis war sehenswert, wenn ich so etwas beurteilen konnte. Zumindest hatte ich in diesem Moment Spaß, so viel sei verraten. Spaß der von nichts anderem kam als mir, der Musik und Toshirou. Er hatte nichts mit der Vorfreude zu tun, nicht mit dem Anlass, es war einfacher Spaß. Simpel. Ein kleiner Teil des großen Spiels und dieser Teil gefiel mir sehr. Wenn ich das Lächeln auf dem Gesicht meines Tanzpartners richtig erkennen konnte ging es nicht nur mir so. Ich lächelte schon wieder. Scheiße aber auch, hm?
Zwischenzeitlich vergaß ich in den Dreh- und Fallbewegungen sogar die anderen Gäste und konnte mich nicht nur wörtlich ein klein wenig fallen lassen. Und ich hatte es zu Anfang noch albern gefunden, dass meine Eltern auf Tanzunterricht beharrten. Sie wussten es wohl immer besser, diese merkwürdige Rasse namens „Eltern“. Wieder Zeit zu lächeln? Lassen wir das, es sah doch eh niemand.
Als das Musikstück seine letzten Züge aushauchte und mein Herzschlag sich langsam anschickte sich etwas zu beruhigen ergriff ich die Gelegenheit am Schopf. Ein Maskenball war ein Spiel. Ein Tanz Teil des Spiels. Also, mein lieber Toshirou, spielen wir!
Die anderen Tänzer waren schon zum Stehen gekommen, auch wir, doch ich drehte mich hinfort. Abschied? Nicht doch, mein Blick ließ den jungen Mann keine Sekunde aus den Augen, auch wenn die Gäste an mir vorbei huschten um sich einen neuen Partner für das nächste Stück zu suchen. Ich schnappte sogar einer kleinen Frau mit gefederter Vogelmaske und unzähligen Blumen im Haar eine kleine blaue Kornblume und flocht sie mit einigen Handgriffen in mein rotes Haar hinter mein linkes Ohr. Ob Toshirou bewusst war, dass die Blaue Blume für Sehnsucht und Liebe stand, ein wichtiges Symbol der Romantik darstellte? Ich verlor keinen Gedanken daran, während ich mich immer weiter rückwärts durch die Menge bewegte, Toshirou mit zur Seite geneigtem Kopf beobachtete und ihm durch Körpersprache eines klar machte:
Dies hier ist ein Spiel und wenn du mit mir spielen und tanzen willst musst du mich auch einfangen! Oder war ich nur eine Unbedeutende unter all den Mädchen? Lächelnd strich ich mir das Haar zurecht. Doch, oh Wunder, wer konnte mein Lächeln schon sehen?
 

Hiragana Kayros

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Sie näherten sich. Hand an Hand, beinahe Maske an Maske. Man hörte den Atem des anderen. Man war eins. Für eine Sekunde – eine Ewigkeit. Und wieder auseinander. Unter sich, und doch unter vielen. Es fühlte sich richtig an, und irgendwie beunruhigte das den jungen Mann. Er durfte sich nicht ablenken lassen, aber dennoch war doch gerade ein solcher Ball dazu da, aus seiner eigenen Haut herauszufahren. Toshirou trat einige Schritte zurück, wie es der Tanz gebot. Es war wirklich angenehm, mit einer solch talentierten Tänzerin die Blicke einiger Buffetgäste auf sich zu ziehen. Er drehte sich, während dabei die Augen nach einem möglichen Hinweis Ausschau hielten. Einige der Informationen, die sich das Team vorher eingeprägt hatte, hatten doch einen leicht gefährlichen Hauch. Doch noch schien nichts Ungewöhnliches geschehen zu sein. Der junge Mann kehrte zurück, trat fest auf, zog galant seine Tanzpartnerin zu sich. Sie waren wieder zusammen, bis dass das Lied sie scheide. Oder vielleicht ja doch nicht?
Mutig, aber nicht übermütig wagte er mit ihr nun Schritte, die man nicht in einem einfachen Grundkurs lernte, die man nur beherrschte, wenn man geschickt war und grazil, schnell und vor allem geistesgegenwärtig. Für einen Außenstehenden mochten die beiden ein Sinnbild vom Schweben sein, denn während das Tempo zulegte, bewegten sie sich schneller, und durch ihre Drehungen wehten Kleid und Mantel. Ein tiefes Blau, ein kräftiges Rot, vermengt in einem Wirbel, begleitet von Musik. Dezente Beigaben von Weiß und Schwarz vervollständigten den Blondschopf und seine rothaarige Partnerin. Jeder Tanz, den ein Mann tanzt, ist eigentlich der Frau, die er führt, gewidmet. Das war nicht nur für Toshirou ein bekanntes Prinzip, nein, er spürte es mit jeder Faser seines Körpers. In jedem einzelnen Blutstropfen spürte er das Feuer, was dieser einzigartige Tanz auslöste. Es war egal, wer sie war und wo sie herkam, es war egal, wie sie aussah oder wie ihre Weltanschauungen waren, es war egal, was sie mochte, wen sie mied. Ihr mochte es vielleicht ebenso ergehen. Er schluckte, führte sie zu einer Drehung, stapfte auf. Sie lachte. Er empfand stilles Glück. Funkelnde Augen hinter verschleiernden Masken. Wo endete die Fassade, wo begann das Selbst seine eigenen Gefühle einzuweben? Irgendwo zwischen Rot und Blau, schwarz und weiß, Mann und Frau. Natürlich war man Shinobi, doch eine solche Frau war ihm schon lange nicht mehr begegnet. Er würde soweit gehen, dass sie die erste ihrer Art war.
Die Schlusstakte, genauso grandios gespielt wie das restliche Stück, beendeten für die beiden das Schwelgen in einer Welt, in der es nur diesen Tanz gegeben hatte. Das liebte er in diesem Brauch, den er leider viel zu selten ausleben konnte. Vielleicht würde er eines Tages auf eine Person treffen, die so tanzte wie seine blaugewandete Unbekannte, um dieses Gefühl – ihr zu Ehren – weiterleben lassen zu können. Sie drehte sich, wand sich von ihm ab – war das ihr Ende? Nein, sie griff einer Frau an den raffiniert gesteckten Blumenschmuck, um sich eine blaue Blume, passend zu ihrem Kleid, hinter ihr Ohr zu stecken. Sie schritt zurück, zunächst langsam, dann aber langsam schneller, aber immer noch den Blick auf mich gerichtet. Er verstand. Er folgte. Aber weiterhin wandte er kein Wort an sie. Sie mochte vielleicht mutmaßen, dass er arrogant war, schüchtern, stumm oder einfach ihrer Sprache nicht mächtig, aber wer wusste an diesem Abend schon, was die Rolle des anderen war, und was als Kern der Wahrheit übrig blieb? Er war sonst eine recht ehrliche Haut, aber gelogen hatte er bisher auch nicht. Ihre Schritte wurden schneller, und auch er beeilte sich mit wehendem Mantel und dunklem Hut, ihr Nachzueilen. Vielleicht war sie nicht wichtig genug, bezogen auf die Mission, aber ohne ein Anzeichen war jeder Ort gleichermaßen geeignet, solange er sich nicht völlig von der Fremden einwickeln ließ. Er holte sie ein, die Musik begann von Neuem. Sie blickten sich an. Sie befanden sich immer noch auf der Tanzfläche. Er neigte den Kopfvoll Ehrerbietung, streckte ihr seine Rechte entgegen. War gewillt, die Blume zu streifen, unterdrückte dennoch diesen Impuls. „Liebe mich, Hass mich, aber tanz mit mir!“, könnte diese einsame Gestik bedeuten. Aber um sich für den Tanz zu bedanken, flüsterte er ihr seinen Namen hinzu. Ein Wort, drei Silben. Ob sie verstand, dass es ihm wirklich um einen weiteren Tanz ging? Ob sie überhaupt an einem weiteren Tanz interessiert war? Vielleicht ja, vielleicht nicht. Und nur vielleicht nannte sie ihm nun den ihren Namen. Aber hoffentlich tanzten sie noch einmal. Für sich, für den Abend, für alle schönen Gefühle der Welt. Und für die Liebe.
 

Katarite

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Ich gluckste vergnügt. Er folgte. Neugierig, in den Bann geschlagen, zum Spielen bereit? Wie ein kleines Hündchen und ein psychopathischer Verehrer; eine Puppe. Der Köder gelegt, die Beute folgte? Ich könnte viele Parallelen ziehen. Manche schmeichelhaft, gar romantisch, andere verstörend und gefährlich. Einige wenige ein bisschen von beiden. Ich fühlte mich an eine bestimmte Nacht erinnert, es hatte geregnet und ich hatte Angst, auch wenn ich es nie zugeben würde. In diesem Moment hatte ich keine Angst. Merkwürdig, dass trotzdem genau diese Erinnerung in meinem Kopf auftauchte? Oh, es gab so viele Mysterien auf dieser Welt und immer noch genug in diesem Ballsaal. Wollen wir uns mit anderen Dingen beschäftigen, ja?
Toshirou folgte mir also, brav wie er war. Es war eine Sache jemandem zu sagen was er tun sollte und er gehorchte. Es war etwas ganz anderes machen zu können was man selbst wollte, sich selbst zu positionieren wie es einem beliebte – und dadurch jemanden in Bewegung zu bringen. Man selbst war der Köder, das Ziel der Begierde, der Schlussstrich. Ich bewegte mich rückwärts, drehte mich, verschwand in der Menge und tauchte wieder auf. Ich lachte laut und klar auf. Er tat was ich wollte und es gefiel mir. Sehr sogar. Macht in subtilster, unsicherster Form. Hauptsache man hinterfragte sie nicht.
Schlussendlich ließ ich mich fangen, schließlich war es „so“ ein Spiel. Seine Körpersprache war eindeutig, seine Worte ebenso. Kein Zweifel, dies war nicht sein Name. Spielte es eine Rolle? Keineswegs. Ich beugte den Kopf, kicherte und klaute einer der Tänzerinnen eine weitere Blume. Dieses Mal eine weiße, sehr viel kleinere. Diese wanderte an ein kunstvoll gearbeitetes Kettchen an meinem linken Handgelenk, das Geschenk einer Freundin; war man in der Lage Blumen ohne großes Aufheben im Haar zu befestigen konnte man sie überall anbringen. Alles eine Frage der Übung. Ich mutierte langsam zum Blumenmädchen, war das nicht lustig?
Da Toshirou da einfach so stand, die Hand ausgestreckt und für kurze Zeit ignoriert, schuldete ich ihm doch etwas, nicht wahr? Also beugte ich mich nun ebenfalls zu ihm, er konnte den Duft meiner Haare riechen, das Heben und Senken meiner Brust beobachten.
„Tori.“, flüsterte ich ihm ins Ohr und fuhr mit meiner Hand über seine Schulter, während ich um ihn herumlief und mich in seinem Rücken positionierte. Es war ein Spiel, also lasst mich spielen, Welt!
„Du willst mich? Komm und such mich.“ War das eine zweite Runde, ein Auftakt? Trieb ich es zu weit, regte ich den jungen Mann vor mir auf? Störte es ihn, dass ich mit ihm spielte? Nein, vermutlich war er doch nur deswegen hier. Ich war wirklich sehr auf seine Antwort gespannt, doch als sich Toshirou umdrehte war ich fort. Der Erdboden hatte mich verschluckt. Ich war ein Teil der tanzenden Meute geworden, unauffindbar für den Moment und längst am anderen Ende der Welt. Ob er mich suchen würde? Es wäre fast schon enttäuschend wenn nicht, oder?
 

Hiragana Kayros

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Antwort #10


Sie näherten sich. Ein letztes Mal. Ihr Name. Das Symbol für Leichtigkeit und Freiheit. Aber auch für fehlende Bindung. Erotik. Sie war Tori. Vielleicht nicht im wahren Leben. Aber hier, in der Welt lebender Illusionen. Eine Idee. Ein Traum. Eine Wahrheit. Und zurzeit nur eine Stimme. Leise, unsichtbar. Sie kam aus dem toten Winkel seines Blickfeldes. Sie forderte ihn heraus, sie lockte und sie offenbarte ihren Wunsch. Ein Spiel wollte sie haben? Unbekümmertes Herumtollen wie Kinder, die sie beide schon viel zu lange nicht mehr waren? Oder galt es hier, das Spiel um Macht zu spielen? Dazu waren sie nicht hier. Er nicht, und sie war gewiss auch nicht mit dem Wissen hierher gekommen, dass Toshirou aufgrund seines Parfums den wohl schönsten Tanz des Abends tanzen würde. Der junge Mann schwieg. Sollte er darauf eingehen? Ja, er musste es sogar. So ein Spiel konnte man doch nur zu zweit spielen. Er lächelte, doch niemand sah es. Langsam, beinahe schleppend, seine Bewegungen bis ins kleinste Detail bewusst inszeniert, drehte er sich auf der eigenen Position um. Sein Hut, genauer, seine Krempe, stand ihm nun weitaus tiefer im glänzenden Gesicht, die Kopfhaltung leicht nach rechts gelehnt. Er blickte zu ihr – doch sie war nicht da, wo er sie vermutete. Obwohl, eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihm keine Möglichkeit zur Antwort gab, keine andere Wahl als zuzustimmen. Wo war es, so sollte es sein, so wollte sie es. Und auch er war damit einverstanden.
Er schaute sich um. Langsam, neugierig, aber nicht von ihr abhängig. Kein Zeichen seiner Kameraden. Und kein Zeichen von ihr. Alles, was er von ihr hatte, war ihr Name und der Duft ihrer Haare. Er war verwegen. Vertraut. Fremd. Unbekannt. Ureins. Er leckte sich schnell über die Lippen. Ein grundlegender Reflex seinerseits. Wo war sie? Er blickte in die Richtung, in die sie am ehesten hätte gehen können. Geradewegs weg von ihm. Er setzte einen Fuß vor den anderen, wie programmiert. Und noch einen. Dann stockte er. Das wäre zu einfach, das wäre nicht geschickt genug. Sie würde ihn ein wenig herausfordern wollen. Würde er zu tölpelhaft einfach einer Route folgen, wäre er ihr mit Sicherheit nicht als Spielpartner angemessen. Unter ihrer Würde, unter ihrem Niveau. Toshirou suchte Tori. Er überlegte. Ein Vogel braucht den Freiraum, um sich entfalten zu können, in der Luft zu schweben und zu tanzen. Er drehte sich. War sie dort, inmitten der Menschen? Er hatte keine so feine Nase wie sie, ihm würde die Erinnerung an ihre Haare nicht den Erfolg bringen, sich ihr zu nähern. Also musste der Blondschopf sie verstehen, sie durchschauen, sich den Punkt in dieser Runde holen. Drehende Ballkleider, wehende Hüte: Alles, was dieses Fest so bunt und schön machte, störte ihn nun in gewisser Weise. Würde sie ihm eine Spur legen, wie gerade mit ihrem Ausdruck von Freude? Er begab sich in das Herz der Tanzgesellschaft: ohne Partnerin, ohne Speis' oder Trank, und ohne Ziel. Nur mit der Suche. Er schob seinen Hut wenige Zentimeter höher. Ein offenes Gesicht suchte ehrlich nach seinem vielleicht persönlichem Glück – würde die Maske nicht jeden Gesichtsausdruck für andere unkenntlich machen. Er grinste. Verwegen. Vertraut. Unbekannt. Ureins. Die Herausforderung war offiziell angenommen. Der erste Schritt war getan. Führte dieser zum Ziel, war er an der Reihe. So funktionierten doch die Spielregeln, oder? Und vor allem, der Tanz wartete auf die beiden.
 
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