Kayros lächelte seinen Kameraden an. Dieser begriff schnell und adaptierte sogar direkt seine Vorgehensweise. Bemerkenswert. "900.000 Ryou, der obere Bereich einer A-Rang-Mission. Es wäre vergleichbar mit dem, was ein Ninjadorf nehmen würde, allerdings gibt es die Regelung, dass Shinobi ausgeliefert werden dürfen an Nicht-Shinobi. Damit müssen wir auch keine Sorge haben, dass es unlogisch klingt, warum keiner ein Ninjadorf angeheuert hat." Während der Suna seine Kosten erklärte (dem geneigten Leser sei hier der Hinweis gegeben, dass das Kopfgeld bei dem heutigen Wechselkurs einen Gegenwert von 68.400 Euro hätte - durchaus legitim, da Kopfgelder nicht verpöhnt sind.), begann sein Kamerad sich die Frisur loszubinden. Die Haare fielen in Sturzbächen herab, glänzten leicht mit schimmernden Reflexen, als er sie mit der Hand locker fallen ließ, und angenehm leicht nahm der Hiragana einen Duft wahrzunehmen. Er gefiel ihm, es wertete im Übrigen auch sehr die sonst muffige Umgebung auf. Überhaupt schien der andere Junge so viel mehr fehl am Platze zu sein wie Kayros, mit mehr Eleganz, Anmut, und dann auch noch dieses Parfum. Vielleicht war es auch Shampoo - Aprikose? Als Arata anschließend grinsend wieder das Wort an ihn wandte, musste diese sich kurz aus der Faszination reißen und zuckte kurz zusammen, ehe seine Gedanken wieder geordnet waren. "Vergewaltigung der Frau eines Adligen. Persönlicher Anreiz, logischer Aufbau, kein persönliches Interesse der Großmächte und trotzdem Geld. Außerdem ist das ein super Thema zum Tratschen - anders als Diebstähle oder Mord in einer Mörderstadt. In unserem Fall das perfekte Verbrechen." Der Blick des Sunas wurde ernst. Auch wenn er selbst diese Idee hatte, er fand sie etwas abstoßend. Das Opfer eine solchen Tat wird vom Täter wie ein Objekt benutzt, greift damit in die Psyche der anderen Person ein und hinterlässt so weitaus mehr Schäden als Blessuren oder Wunden. Was dort angerichtet wird, kann die Zeit in den allerseltensten Fällen heilen und umfassende Erinnerungsselektiva gibt es einfach nicht. Seines Wissens verfügen weder die Yamanada noch die Yagami, welche in den Gebieten Geist und Seele zuhause waren, beherrschten so eine Kunst - oder verbargen das Wissen sehr gut.
Die beiden Ninja entschieden sich nach einem weiteren kurzen Gespräch über die Abfolge, sich zunächst auszuruhen und etwas zu schlafen. Als sich Kayros einiger unnötiger und unbequemer Gegenstände entledigte, merkte er nicht, wie er unbeabsichtigt das Funkgerät wieder einschaltete. Beide verschanzten sich in die hinterste Ecke und insgeheim verfluchte Kayros die Kälte. Aber Aratas Vorschlag von vorhin war pragmatisch. Nebeneinander schliefen sie ein, bis zum nächsten Morgen.
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Oder auch nicht. Mai weckte den Hiragana, der beim ersten Geräusch bereits wach wurde. Als Shinobi mit geschärften Gefahreninstinkten war man auch dann achtsam, wenn man ruhte. Es dauerte eine Sekunde, bis der Chuunin verstand, woher die Stimme kam. Eine weitere Sekunde, um das Gespräch und das Headset anzunehmen. Und eine dritte, bis die beiden Jungen nervös wurden. Die Blauhaarige schien außer Atem. Kayros lief alleine bei dieser Vorstellung des eiskalt den Rücken hinunter. Es war so still im Raum, dass die Stimme durch das Knopfmikrofon auch für Arata zu hören war, der nicht direkt davor saß. Noch einmal zum Mitschreiben: Mai und Shin haben den Agenten für Shiro getroffen. Leider wurde er dabei von den Schlägern Kemurus angegriffen und die drei kamen in einen Kampf, aus dem Mai und der Agent flüchten konnten, weil Shin sich in den Weg stellte. Dieser wurde jedoch irgendwie außer Gefecht gesetzt und wurde - hoffentlich - gefangen genommen. Kemuru wurde im Westen vermutet - exakt auf der anderen Seite der Stadt, wo die beiden Shinobi waren.
Sakuras und Gathos' gute Erziehung verhinderten, dass Kayros fluchte. Ein Plan musste her. Was würde Junko in einem solchen Fall tun? "Ich glaube, ich habe eine Idee." Kayros' Blick suchte die Augen von Arata. Er - nein, Shin - brauchte ein zu allem entschlossenes Team. "Ich kann nur deren Schritte raten. Aber sie werden Shin sicher zu ihrem Boss bringen. Wir wissen, wo es ungefähr sein muss, und wenn noch Leben in dem Mashida steckt, werde ich ihn sicher finden können. Ich... wir werden sofort aufbrechen, brauchen aber sicherlich eine halbe Stunde bis Stunde, ehe wir im Industrieviertel sind. Erholt euch und kommt nach, sobald ihr könnt. Dein Begleiter soll uns einen Treffpunkt nennen." Kayros warf sich dabei hastig die Sachen über, legte das zuvor abgelegte Equipment wieder an und zog sich auch seine fingerlosen Handschuhe an. Kayros war nervös. Mai war extrem stark, sehr wachsam und viel kompetenter, als sie sich es manchmal selbst zutraute. Sie wurde vielleicht überrascht, aber der Gegner weiß nun, mit wem sie es zu tun hatten, hatten Heimvorteil und waren zahlreich. Und spätestens jetzt alarmiert. Wenn die organisierte Kraft Kemurus auf die Shinobi traf, würden Kayros, Mai und Arata Shin befreien und ihre Mission erfolgreich beenden können? "Ich schwöre dir, wir holen Shin da lebend raus", sagte Kayros, grimmig entschlossen in das Headset, ehe er sich Arata zuwandte. Dieser dürfte vielleicht mit einigem Interesse die Veränderung in Kayros beobachtet haben. Er straffte seine Schultern, wirkte tödlich ernst und jede seine Bewegungen waren präzise, aber irgendwie auf mit einer Energie versehen, die vermuten lassen könnten, dass Kayros am liebsten wie der legendäre gelbe Blitz aus Konoha einfach losgestürmt wäre. Aber Kayros war kein Kage-Material, er war Menschenfreund. Und als er an der Tür nach draußen stand, drehte er sich zu Arata um. "Auf geht's."