„Wow, seit drei Jahren schon Genin“, dachte Akiko bewundernd. Das war wirklich eine lange Zeit, die sie sich jetzt noch nicht vorstellen konnte. Sie war seit ein paar Monaten Genin und fand sich gerade erst ein in diese Rolle. Vor allem mit ernsthaften Missionen kannte sie sich so gut wie überhaupt nicht aus, geschweige denn hatte sie jemals etwas Schlimmes erlebt. Dass Raku sie hier empfing schien aber eine Besonderheit zu sein, auch wenn ihr nicht ganz klar war, welcher Art. Dass er in drei Jahren selten oder sogar nie Besuch bekommen hatte erschien ihr ungewöhnlich. Vielleicht war er aber einfach ein Vollblut-Ninja, so wie es ihr Vater gewesen war. Nie Zuhause, nur um sich zu regenerieren, dann gleich wieder raus ins nächste Blutbad, in die nächste Gefahr, in die nächste schwierige Situation, bei der es um nichts Geringeres ging als darum, die Ehre des Dorfes oder der Familie zu verteidigen. Akiko kam die psychologische Komponente in den Sinn, die hier mitspielte. Sie hatte definitiv ein „Vater-Thema“ - vielleicht war Raku einfach ein Spiegel, der ihr diese Thematik vor Augen führen wollte, damit sie sie durcharbeitete. Denn wie auch ihr Vater schien Raku keinen Schimmer davon zu haben, wieso oder weshalb sich Akiko in einer Situation wie dieser schrecklich unwohl und unsicher fühlte. Empathie war niemals seine Stärke gewesen - zumindest nicht gegenüber seiner Tochter.
Akiko wusste es nicht, aber was Raku an seinem Zuhause vermisste konnte Akiko nahezu genauso teilen. Hätte sie gekonnt, wenn er seine Gedanken laut ausgesprochen hätte… Holz, Stille, das Training im Innenhof… Was Akiko aber bemerkte, war dass Raku erleichtert zu sein schien, dass sie ihn mit ihren Worten eher auf ein Thema zurücklenkte, in dem er sich wohlfühlte. Stoffe und Farben. Auf seine Ausführungen zu den Farben der Natur hin nickte sie ein wenig übereifrig. „Ja! Auch wenn ich das mit den Tieren nicht bedacht habe… und ich ein Faible für…“, sie suchte hastig das Regal ab. „Diesen Rotton habe… vielleicht noch etwas kräftiger“. Sie hatte ein Burgunderrotes Stück Stoff ausgewählt und deutete darauf. Als Raku sagte, er fände ihre Fragen speziell, hätte jemand anderes sich vielleicht einen Kopf gemacht, aber Akikos Grinsen weitete sich nur und sah nahezu gelöst aus. „Ich mag auch nicht zwischen den Zeilen lesen. Ich mag keinen Smalltalk. Ich möchte nicht wissen, was du zu Mittag hattest, sondern etwas von… hier“. Beim Sprechen wirkte sie, als wäre sie in ihrem Element. Beim letzten Wort stupste sie Raku mit einem Zeigefinger auf die Brust, nahm dann aber schnell wieder einen etwas größeren Abstand zu ihm ein. Sie wollte ihm nicht zu nahetreten. „Chaos ist sicherlich Auslegungssache… aber man sieht, dass du einige Dinge aufgeräumt hast…“, sie sah ihn von der Seite her an. „Also scheint es doch irgendetwas für dich zu bedeuten, ob es aufgeräumt ist oder nicht - zumindest wenn Besuch kommt. Hier zum Beispiel…“, sie deutete auf eine hintere Ecke des Tisches, auf der ein kaum erkennbares Staubmuster zu erkennen war. „Lag vorher irgendetwas, was vor wenigen Stunden weggeräumt wurde“. Sie grinste noch einmal, winkte dann aber ab. Bei seiner verschluckten Anfangssilbe eines Frauennamens legte sie verwundert den Kopf schief. Es war das erste Mal, das Raku sich selbst unterbrochen hatte, weil er ohne nachzudenken gesprochen hatte. „Das hier ist kein Interview, ich wollte keine möglichst spannende Antwort, sondern eine von dir“. Sie sagte es so, als wäre es eine unumstößliche Tatsache, die keiner weiteren Reaktion bedurfte.
Dann beugte sie sich wieder über das Blatt mit ihren Zeichnungen und ließ Raku in Ruhe untersuchen, was sie gemalt hatte. Dass er nicht mehr aufs Blatt sah sondern in ihr Gesicht, fiel ihr erst einige Augenblicke später auf. Sie erwiderte seinen Blick und ihr ganzes Gesicht sah für einen langen Augenblick auf eine leicht kindliche Weise überrascht aus. Dann rückte sie ein wenig zurück, weil sie Anspannung in Rakus Körperhaltung bemerkte. Es war nicht beabsichtigt gewesen, dass sie in seine Komfortzone gerückt war, aber sie brachte es auch nicht über sich etwas dazu zu sagen. „Eigentlich hätte das unangenehm sein müssen“, dachte sie kurze Zeit später und war überrascht über sich selbst. Normalerweise hätte sie früher realisiert, wie nah sie einem Menschen gekommen war und dass entweder er oder sie definitiv mehr Raum brauchte. Vielleicht war sie einfach so eingenommen von der ganzen Kleiderschneiderei-Sache gewesen? Vielleicht redete sie sich das aber auch nur ein. Sie war froh, als er wieder begann über das Thema zu sprechen und atmete aus. Hatte sie die ganze Zeit die Luft angehalten? „Ich…“, ihre Stimme war plötzlich belegt und sie räusperte sich. „Also ich verwende nur Kunai und Shuriken weil… also ich kann mit anderen Sachen nicht umgehen“, sie kratzte sich verlegen am Ohr unter ihren Haaren, das allerdings schon vor dem Kratzen feuerrot leuchtete… „Schriftrollen… brauche ich eigentlich auch nicht… damit kenne ich mich nicht aus“. Ihr Gesicht wurde verlegen und angespannt und sie biss sich auf die Unterlippe. Während sie sich wieder gerade hinsetzte, was den Abstand zwischen Raku und ihr noch vergrößerte, sagte sie: „Ich bin noch nicht so lange Kunoichi… ich weiß noch nicht so Recht, womit ich kämpfen will…“. Sie wirkte verlegen bei diesen Worten, weil sie sich so unerfahren, naiv und dumm vorkam.
Danach sprach Raku über den Rückenausschnitt und Akiko war froh, dass ihr die Haare über ihre Ohren fielen, die sich furchtbar heiß anfühlten. „Also ich weiß nicht… noch tiefer?“, sie rutschte unruhig auf ihrem Hintern hin und her, atmete tief ein, dann wieder langsam aus und gab sich einen Ruck. „Also schön, wieso nicht… es soll nur nicht… billig aussehen“. Jetzt wurde auch ihre Nasenspitze ein wenig rot. Das hier war schlimmer, als sie gedacht hatte. Sie sprachen über nichts weiter als Kleidung, aber letztendlich war es ihr Körper, der in dieser Kleidung stecken würde. Ihr nackter Rücken war sicherlich gerade Bestandteil von Rakus Überlegungen, wie tief dieser verdammte Rückenausschnitt sein sollte und der Gedanke war kaum auszuhalten für sie, obwohl nicht genau sagen konnte warum. „Also als Body… das klingt praktisch… Dann verrutscht auch nichts und… ja, es klingt praktisch“. Bei Rakus weiteren Ausführungen wurden Akikos Augen groß und ihr Mund stand leicht offen. Er überforderte sie völlig, denn was sich vor seinen Augen glasklar abzeichnete, konnte sie sich kaum vorstellen. „Warte, warte, Raku…“, sagte sie und bremste seinen Redefluss. „Also, das klingt alles wirklich gut… wärmend… Blätterfarben… über sowas hab ich überhaupt nicht nachgedacht! Und das mit dem Schattenkram… wirkt, als hättest du in unseren Clanbüchern gestöbert“, sie lachte. „In der Nacht funktionieren unsere Jutsus nicht, deshalb benutzen manche von uns Leuchtraketen oder so… aber damit kenne ich mich nicht aus… also noch nicht… Scheiße, ich brauche echt mehr Training“. Wieder lachte sie und vergrub kurz das Gesicht in den Händen, ehe sie mit einem verzweifelten Lächeln wieder zu ihm hinsah. „Überrasch mich einfach, okay? Notfalls muss ich nochmal herkommen und du machst mir etwas Neues“. Sie sagte es lapidar, zuckte den Schultern und zog eine Schnute, aber eigentlich erfreute sie der Gedanke ziemlich.
Im nächsten Moment fand Akiko sich stehend wieder und wurde von Raku durch den Raum geschoben. Sie spürte die Hand an ihrem Rücken. „Spüren“ war kein adäquates Wort - es war eher, als könnte sie seine Körperwärme durch ihr Oberteil hindurch viel intensiver wahrnehmen, als es eigentlich möglich war. Ihr Schultern zuckten kurz zu den Ohren, ehe ihr klar wurde, dass sie keine Angst haben musste und ihr dies hier gar nicht unangenehm war. Im Gegenteil war es schön, dass er die Kontrolle über die Situation in der Hand hielt und sie nur tun musste, was er ihr sagte. Erstaunlich entspannt blieb sie stehen und reagierte auf seinen Kommentar zum „nicht-zu-nah-kommen“ mit einem leisen: „Oh, das macht nichts“, das ihr eher rausrutschte, als dass sie es wirklich hatte sagen wollen. "Auf dem Zettel ist nichts...", winkte sie noch schnell ab... Und dann begann der spannende Teil, der sich wirklich hartnäckig in Akikos Hirn schrieb. Sie realisierte erst hinterher, dass sie sich auf diesen Teil innerlich am intensivsten vorbereitet hatte, denn sie atmete ruhig und entspannt, tief in den Bauch und ließ die Schultern hängen. Bis Raku anfing, mit dem Maßband ihren Körper auszumessen.
Er begann mit ihrer Körperlänge, was an sich noch völlig harmlos war. Dann ging er von oben nach unten: Raku maß ihren Hals und das kühle Maßband fühlte sich irgendwie geschmeidig an auf ihrer Haut. Es ließ sich nicht vermeiden, dass Rakus Fingerkuppen manchmal ihre Haut berührten, weil sie schlicht und ergreifend das Maßband aneinanderhalten mussten. „Oh mein…“, dachte Akiko nur, dann rauschte es lange Zeit in ihrem Kopf. Er maß ihren Rücken und ihre Wirbelsäule kribbelte. Er maß den Umfang ihrer Taille und sie spürte, wie sich Gänsehaut auf ihrem Bauch bildete - dabei berührte er sie überhaupt nicht, sondern nur dieses bescheuerte Maßband. Mitten beim Messen, als er gerade begann ihre Oberweite auszumessen und sich das Maßband um ihre Brüste legte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie begann zu lachen und schlug erschrocken die Hände vor den Mund. Natürlich verrutschte das Maßband, doch Akiko kümmerte es nicht. „Scheiße… sorry Raku“, sie versuchte sich wieder zu erholen von dem plötzlichen Lachanfall, doch sie bebte innerlich. „Ich… das…“, sie wusste kaum, was sie sagen sollte. „Das ist irgendwie… intimer, als ich gedacht hatte“. Sie presste mit einem unterdrückten Grinsen auf den Lippen den Mund zusammen und stemmte die Hände in die Hüfte. „Tut mir Leid, ich verhalte mich echt unprofessionell, aber…“, sie schüttelte den Kopf und strich sich nervös die Haare hinter die rot angelaufenen Ohren. Sie deutete auf Raku, als würde das irgendetwas erklären und schien sich dann wieder zusammenreißen zu wollen. „Okay. Tut mir Leid. Ich reiß mich zusammen. Du kannst weitermachen“. Sie nickte zuversichtlich und sah Raku durchdringender als beabsichtigt in die Augen.