Schmunzelnd sah Hei auf seine kleine, handgezeichnete Karte, nickte und fühlte sich schon einigermaßen gut. Immerhin hatte er Shika offensichtlich folgen können, ohne bemerkt zu werden - was nicht unbedingt schlecht war, denn Shika hatte scharfe Sinne. Allerdings war auch sie wohl noch zu unaufmerksam, was eventuelle Verfolger anging. Nun, wer erwartete aber auch, hier, in Jôsei, unweit des Ninjadorfes Shirogakure, einen Verfolger zu haben? Sicherlich nicht der Sprössling der Nara-Familie. Aber Hei hatte ja auch nichts böses im Sinn: Es kam ihm nur wie eine Verschwendung vor, eine so interessante Person einfach aus seinem Leben zu verbannen, jetzt, wo er Genin war. Außerdem wollte er wissen, ob das Mädchen auch bereits zum Genin ernannt worden war - sie beide hatten kurz hintereinander die Prüfungen gehabt. Heis Prüfung war früher gewesen, und die nächsten Tage hatte er praktisch mit faulenzen verbracht, weshalb er nicht einmal wusste, ob Shika überhaupt ein Genin geworden war. Jetzt stand er hier, kurz vor der Tür der Naras, und wusste nicht, was er hier überhaupt tat. War er jetzt völlig verrückt geworden, dass er einem Mädchen einen Überraschungsbesuch abstattete, dass ihn noch nicht einmal leiden konnte? Kopfschüttelnd fasste sich der Shinobi aus Suna an den Kopf, wollte nicht wahrhaben, dass der Weg einfach umsonst gewesen war. Nein, das sollte er nicht gewesen sein. Der Junge hatte sich tatsächlich von zuhause wegbewegt: Das sollte auch gebührend belohnt werden. Sozusagen. Immerhin wusste er nicht, ob sie ihn einfach rauswerfen würde.
Zwar noch zweifelnd, aber prinzipiell entspannt, ging er langsam die steinernden Stufen, die zu dem Haus Shikas führte, hoch, und seufzte noch einmal. Zwar hatte er es wirklich gern, Mädchen und Frauen anzusehen, allerdings hatte er noch nicht allzu oft mit einer etwas zu tun gehabt - und das hatte auch einen ganz einfachen Grund. Er fand, dass Mädchen in seinem Alter und darunter oft eine einzige Beschäftigung und Befähigung hatten: Nämlich nerven. Viel, und immer ihn. Also hatte er sich recht fern gehalten und war generell in Shirogakure ziemlich einsam gewesen die letzten Jahre, in denen er die Akademie besucht hatte. Es war auch nicht viel besser gewesen, dass er den Anderen oft voraus gewesen war, weil er einfach schon ein wenig älter war. Für seine ganzen vierzehn Jahre war er schon einer der ältesten Schüler auf der Akademie... gewesen. Ein leises Lachen entfuhr Hei. "Du versuchst dich doch nur selbst abzulenken, mein Freund.", murmelte er sich zu. "Aber so einfach ist das nicht. Konzentrier' dich lieber und versuche, ihr nicht schon wieder auf den Schlips zu treten."
Jetzt stand er tatsächlich vor der verdammten Tür. Langsam fühlte er, wie er ungeduldig wurde; Allerdings mit sich selbst, nicht mit etwas anderem. Er war total ruhig, war fixiert, entspannt. Aber trotzdem wusste er genauso, dass sein Gehirn ihm zu sagen versuchte: Renn weg! RENN WEG! "Nein, verdammt.", brummte er, seufzte noch einmal, um seinen Unmut auszudrücken, hob dann die Hand, um an der Tür zu klopfen. Es war ziemlich unglaublich: einen ganz kurzen Moment lang packte Hei dieses unglaublich starke Bedürfnis, einfach wegzulaufen, sich zu verstecken oder sich in einen Stein zu verwandeln. Doch was technisch durchaus möglich war, sollte hier nicht verwendet werden - Stein spielen konnte er später noch genauso gut. Plötzlich öffnete sich die Tür, und eine große Frau mit braunen Haaren sah ihn erwartungsvoll an. Offensichtlich konnte sie sich nicht erklären, was er hier wollte, und innerlich ächzte Hei. Sie war genau wie seine Mutter. Sie war das Nest und gleichzeitig der Drachen, der es beschützte, soviel war schon einmal sicher. Kurz warf er ein Blick zu seinem Stirnband, was entgegen seinem Zweck versteckt an seinem Gürtel angebracht war. Jemand, der nicht wusste, dass es da war, würde es nicht entdecken können. "Seid mir gegrüßt. Mein Name ist Tatsumaki. Tatsumaki Hei." Er hatte das Gefühl, sich hier eher höflich vorstellen zu müssen. "Ist Ihre Tochter zufällig im Hause? Ich bin mit ihr in die gleiche Klasse auf der Akademie gegangen und wollte mich erkundigen, wie es ihr bei der Prüfung ergangen ist." Ein leichtes, überzeugendes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. "Persönlich."