Sonnenstrahlen kitzelten Muras Nase, als er stöhnend die Augen aufschlug und feststellen musste, dass ein feuchtes Stück Stoff über sein Gesicht gelegt worden war. Seine Irritation nahm aber noch weiter zu, als er Gras und Erdreich unter sich spürte, während sich das Klappern von Hufen ein wenig von seiner Position entfernte.
Was war passiert?
Es dauerte einige Sekunden, bis der Kiyama realisierte, was ihm widerfahren war. Sein Wagen hatte einen Unfall gehabt.
Ja, richtig. Die Rüstung war auf ihn niedergekracht. Moment, wenn er sich nicht mehr im Wagen befand, musste er ohnmächtig gewesen sein. Mit einem Mal wurde ihm klar, warum ein Tuch sein Gesicht verhüllte. Schließlich hatte er im bewusstlosen Zustand sein Henge no Jutsu unbeabsichtigt fallen lassen. Jemand war so geistesgegenwärtig gewesen und hatte unter dem Vorwand einer Kühlung sein verändertes Gesicht bedeckt. Gleichzeitig war er in eine Decke gewickelt worden, sodass niemand seine Kleidung und Ninja-Taschen erblicken konnte.
Pfiffig… Muras Augen lugten unter dem Tuch hervor. Mit Ausnahme von Chinatsu war kein Mensch in seiner Nähe. Alle waren entweder mit den Wagen und Tieren beschäftigt oder hatten sich Cho-Cho zugewandt, die einen riesigen Lärm um ihr Gepäck, Kleidung und Aussehen machte. Ein bessere Gelegenheit gab es nicht, wollte er sich nicht vor dem eigentlichen Beginn der Mission unangenehmen Fragen ausgesetzt sehen. Nach einigen schnellen Fingerzeichen wurde sein Körper in Rauch gehüllt, was zu seinem Glück mit Ausnahme der bei ihm verbliebenen Hasekura der Aufmerksamkeit aller entging. Während diese auch prompt den Rest der Reisegruppe darüber in Kenntnis setzte, dass er wieder zu Bewusstsein gekommen war, nutze er die Zeit, um vorsichtig nach seinem Kopf zu tasten. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass er am heutigen Tag sich am Boden niedergestreckt wiederfand. Mit einem leichten Stöhnen auf den Lippen entdeckte der Kiyama eine dicke Beule an seinem Hinterkopf, die sich zu der vom Vormittag gesellte. Er sollte wirklich darüber nachdenken, vorläufig nur noch mit einem Sturzhelm herumzulaufen.
Er war gerade im Begriff, sich zu erheben und das Tuch vom Gesicht zu nehmen, als sich Mai neben ihn setzte und lächelnd sein „Glück“ verspottete.
Du hast Recht. Ich bin vom Glück gesegnet. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und ein wenig unbeholfen fuhr er sich mit den Händen durch das Haar, um dann direkt mit einem zischenden Geräusch zusammenzufahren.
Das gibt eine Beule. Ein leicht verschämtes Lächeln huschte über seine Lippen.
Ist euch denn etwas passiert? Eine große Hilfe war ich ja nicht. Ächzend erhob er sich und dehnte seine Glieder. Dabei blickte er sich aufmerksam um. Mai und Chinatsu befanden sich bei ihm, während sich Benjiro mit einigen anderen Darstellern daran machte, einen letzten Wagen aus dem Fluss zu heben. Einige Meter vom Ufer entfernt und etwas abseits der Furt hatte man in der Zwischenzeit die beiden anderen Wagen abgestellt. Unter anderem waren die Umedas dort schon geschäftig dabei, Topfe, Planen, Äxte und Schaufeln hervorzukramen. Mura verstand sofort, dass sie auf dem kleinen, vielleicht zehn Meter im Quadrat messenden Stellplatz das Lager für die Nacht aufschlagen wollten. Der Blick des Kiyamas ging zum Himmel und zum Stand der Sonne. Rein theoretisch hätten sie bestimmt noch ein oder zwei Stunden weiterziehen können. Dann aber wanderten seine Augen zu dem im Fluss zurückgebliebenen Wagen und Mura bemerkte, dass etwas mit dem Gefährt nicht stimmte.
Gibt es einen Schaden an dem Wagen? Das würde zumindest erklären, warum sie jetzt schon ein Lager für die Nacht errichteten.
Vielleicht sollte ich ihnen kurz zur Hand gehen. Mai-chan, wärst du so gut und gehst zusammen mit Chinatsu zu den Wagen? Vielleicht können die dort Hilfe gebrauchen. Ich werde mal sehen, ob man da nicht noch jemanden bei dem gestrandeten Gefährt gebrauchen kann. Übrigens… gut aufgepasst. Mura legte noch einmal ein gewinnendes Lächeln auf, ehe er sich abwandte.
Doch viel zu tun gab es für den Kiyama nicht. In der Tat hatten schon vier Paar Hände und eine der Musikerinnen –Mura war der Name entfallen- auf dem Kutschbock ganze Arbeit geleistet. Die Vorgehensweise war dabei ganz simpel. Die Musikerin -verdammt, wie hieß sie denn nochmal- trieb die Tiere an, während die vier anderen mit aller Kraft den Wagen anhoben und so das kaputte Rad entlasteten.
Obwohl er schließlich doch noch an Hand anlegte, wäre das kaum noch nötig gewesen. Es zeigte sich, dass die reisenden Künstler sich durchaus selbst zu helfen wussten. Außerdem hatten sie ja noch Benjiro dabei, der, wie Mura schon feststellen durfte, für sein Alter eine herausragende Kraft an den Tag legen konnte. Am Ende brauchten sie keine fünf Minuten, um das andere Ufer zu erreichen. Mura merkte, dass der Atem der meisten etwas schwerer ging und so entschied er sich, es den Zivilisten gleichzutun. So japste er nach Luft und tat so, als hätte ihn die verhältnismäßig kleine Anstrengung gehörig mitgenommen. Und scheinbar funktionierte das ganz gut, denn der ein oder andere klopfte dem Kumonin aufmunternd zu. Doch das war nichts im Vergleich zu Benjiro, der sich wohl in die Herzen der Künstler geschoben hatte.
Hier ein
„Gut gemacht!“, da ein
„Hast ja ganz schön Muckis.“ und Mura stand nur lächelnd daneben und wurde komplett ignoriert. Das war ihm ganz recht, gönnte er doch dem jüngeren Genin die Aufmerksamkeit und Anerkennung der Mitreisenden.
Es gab ohnehin noch einige Dinge zu erledigen. Ein Rad musste repariert, Feuerholz gesammelt, Schlafstätten hergerichtet und Essen gekocht werden. Obwohl sogar Cho-Cho nach einer gewissen Zeit der Herrichtung mithalf, brauchte es doch fast eine ganze Stunde, bis sie alle am Feuer Platz nehmen und eine Schale mit Essen in der Hand halten konnten. Und die Stimmung war großartig:
Die Musiker hatten Instrumente hervorgeholt und sorgten für eine angenehme Untermalung, während die Sonne langsam unterging. Cho-Cho, die nur wenige Happen zu sich genommen hatte, nickte dem Kiyama kurz zu und erhob sich dann vom Lagerfeuer. Sie richtete ein paar Worte zu Chinatsu und die junge Kunoichi folgte ihr, nachdem sie sich brav für das leckere Abendmahl bedankte. Vielleicht zwanzig Minuten später kamen die beiden wieder, tuschelten ein bisschen und lachten. Das nächste Opfer der Künstlerin war dann auch die Sakaida.
Hey! Mura-chan sagte mir, dass ich dir eine kleine Übungsstunde in Schauspielerei geben soll. Mehr sagte die Schauspielerin nicht, die sich wie zuvor von dem Feuer und ihren Gefährten entfernte und an ihrem Wagen auf die Kunoichi aus Kumogakure wartete.
Der bis dato einseitig geführte Zickenkrieg ging also in die nächste Runde…
Inzwischen unternahmen die beiden Umedas einen weiteren Versuch, sich dem sozial arg unbeholfenen Benjiro zu nähern. Dabei mimte die ältere Schwester den „WIngman“ und wies durch subtile Ergänzungen und Tipps dem Sunanin den Weg in das Herz ihrer Schwester.
Mura lächelte verstohlen, als er das bemerkte, schaute dann aber ein bisschen sehnsüchtig der Sakaida hinterher. Eine helfende Hand hätte er auch einmal nötig.
Mura lehnte sich zurück. Was blieb ihm auch anderes übrig, als ein wenig die
Musik zu genießen.