Diese silbernen Sandaletten passten wirklich perfekt zu dem blauen Kleid! Und zufälligerweise hatten sie auch noch die richtige Größe für Chinatsu. Das musste doch geplant gewesen sein! Die 16-Jährige schnappte sich das Schuhwerk und schlüpfte in dieses hinein, während sie sich zufrieden die Komplimente von allen Teammitgliedern zu ihrem atemberaubenden Aussehen anhörte.
„Das Kleid sitzt wie angegossen“, antwortete sie auf die Frage von Raku und drehte sich auf dem Absatz um, damit sie ihn auch direkt ansehen konnte.
„Aber falls mir noch was auffällt, sag ich dir Bescheid.“ Sie zwinkerte dem Hellhaarigen zu, denn auch wenn ihre Geschmäcker hinsichtlich Kleidung oft weit auseinanderlagen, so schätzte sie die Fähigkeiten des Manako als Schneider doch sehr. Dann wurde das Mädchen von Asami und Okami abgelenkt, die beide nun ebenfalls fertig umgezogen hervortraten. Die Inuzuka hatte sich sogar ihre Wangen-Markierungen entfernt! Ein ungewohnter Anblick, aber es machte das gesamte Erscheinungsbild gleich edler.
„Asami, das passt perfekt!“, lobte sie ihre rothaarige Kollegin und hielt den Daumen grinsend nach oben. Ihre Aufreiß-Pläne würden mit diesen Kleidern auf jeden Fall funktionieren! Ein leises Kichern entwich dem Mädchen beim nächsten Gedanken.
„Aber du solltest aufpassen, dass Okami dir nicht die Show stiehlt.“ Tatsächlich sah der Vierbeiner mit der Bordeaux-roten Seidenschleife noch tausend Mal süßer aus als ohnehin schon. Chinatsu hätte gar nicht gedacht, dass das möglich war! Dass Okami griesgrämig knurrte, machte den Anblick irgendwie nur noch süßer. Zumindest hatte Chinatsu genug Verstand, um in diesem Moment nicht den Kopf von Okami zu tätscheln - gebissen werden wollte sie dann doch nicht. Als nächstes zog Raku sich um und erschien in einem eng geschnittenen Anzug vor den Teamkollegen, bei dem insbesondere das helle Hemd und die dunkle Krawatte ins Auge stachen.
„Wow, Raku!“ Die Hasekura blinzelte kurz, winkte dann ab.
„Mensch, das steht dir echt gut, muss ich sagen. Damit könntest du vielleicht sogar die Aufmerksamkeit einer Dame auf dich ziehen, wenn du noch ein bisschen lächelst. Willst du dich unseren Aufreiß-Plänen etwa anschließen?“ Zuletzt zog Yuichiro sich um, für ihn blieb nur noch das Bartender Outfit übrig. Tatsächlich hatte die 16-Jährige befürchtet, dass der große Takegatama Probleme haben würde, passende Kleidung zu finden. Umso überraschter war das Mädchen, als Yuichiro mit einem fast perfekt passenden Outfit wieder vor die Gruppe trat. Chinatsu trat näher, zupfte ungeniert an dem weichen Stoff am Körper des Takegatama und besah sich diesen einmal von allen Seiten. Dann nickte sie.
„Yui, das sieht echt gut aus. Ist an dir etwa ein Barkeeper verlorengegangen, hm?“ Sie lachte, trat dann einen Schritt zurück und musterte ihren dunkelhaarigen Freund nochmal von oben bis unten. Sie sahen alle grandios aus! Viel besser als in ihrer Ninja-Kleidung. Die Origami-Userin hätte sich gerne noch länger über die Kleidung unterhalten, doch leider wurde das Thema ernster. Zum einen ging es darum, wie Asami und sie in den Kleidern kämpfen wollten. Und dann stand noch die Frage im Raum, wo sie unterkommen würden.
„WENN wir kämpfen müssen...“ Das erste Wort betonte die junge Frau ganz bewusst.
„Dann geht das in dem Kleid schon. Ich mein, meine Beine haben genügend Bewegungsfreiheit, wie ihr sehen könnt.“ Sie deutete grinsend auf die seitlichen Schlitze in ihrem Kleid, die den Blick auf ihre dunkle Haut ermöglichten.
„Abgesehen davon bin ich Ninjutsuka. Solange ich die Hände bewegen kann, geht das schon.“ Sie winkte ab und dachte dann über die zweite Frage nach.
„Wo wir unterkommen können... keine Ahnung. Aber das bringen wir jetzt mal in Erfahrung!“
Eine Zusammenfassung der Ereignisse: Die Gruppe traf erneut auf den kleinen Samamoto Iwabe, der ihnen zwei Schlüsselkarten überreichte, auf denen eine (!) Zimmernummer stand. Ja, richtig gehört: Es gab nicht vier, nicht zwei, sondern genau ein Zimmer, dass sich die vier Ninja plus Hund teilen sollten.
„Vielleicht ist es ja besonders groß?“, war die Anmerkung Chinatsus gewesen, die sich im Nachhinein allerdings als außerordentlich naiv herausstellte... Die Vorstellung der Hasekura: Eine extragroße Suite mit Balkon, wunderbaren Blick aufs offene Wasser, mit einem Sekt zum Empfang und einem Badezimmer mit privatem Whirlpool. Die Realität: Das Zimmer war innenliegend, es gab also keinen Balkon, genauer gesagt nicht einmal ein Fenster. Das Zimmer war nicht extragroß, sondern hatte eine auffallend schmale, längliche Form. Ein Badezimmer gab es zwar – doch außer einer kleinen Dusche, Waschbecken und funktionsfähigem Klo konnte man keinen Luxus erwarten. Sekt? Nee. Nicht mal ein paar belegte Brote gab es zum Empfang. Zum Übernachten gab es in diesem kleinen Zimmer ein Doppelbett sowie eine Couch. Oh und einen Schrank gab es auch noch! Das war es dann aber auch schon Mobiliar. Und dass das Zimmer sich in der Nähe zum gigantischen Schaufelrad des Schiffes befand und sie die drei Tage daher eine entsprechende Geräuschkulisse haben würden, konnte das Team zwar noch nicht wissen, würde sich ihnen zu einem späteren Zeitpunkt aber noch offenbaren.
„Okay... nicht optimal, das gebe ich zu. Aber damit lässt sich schon arbeiten“, fasste Chinatsu am Ende zusammen, verstaute ihre Ninja-Utensilien sowie alte Kleidung schon einmal im Schrank und ließ sich dann auf den Rand des Bettes fallen.
„Es sind vielleicht nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten da, aber vermutlich werden wir ja eh nicht alle gleichzeitig hier schlafen. Daher passt das schon“ Der weitere Plan ließ sich recht schnell zusammenfassen: Sie würden in wechselnden Zweiergruppen das Schiff patrouillieren und sich bei Bedarf jeweils einzeln für ein paar Stunden zum Ausruhen in das Zimmer zurückziehen. Chinatsu hatte eigentlich vorgehabt, zusammen mit Asami dauerhaft für den Bereich in und um das Casino zuständig zu sein... doch aus ihr vollkommen unerfindlichen Gründen hatte Raku bei diesem Plan vehement Widerspruch erhoben und sowohl auf Patrouillen über das gesamte Schiff, als auch auf wechselnde Gruppen bestanden. Spielverderber! Wie konnte er ihren Aufreiße-Plänen nur so einen Strich durch die Rechnung machen? Aber na gut – wenn er es denn so wollte. Kaum hatte das Team das Gespräch beendet, knarzte es plötzlich aus den Lautsprechern und eine weibliche Stimme hallte durch die Gänge des Schiffes.
„Liebe Gäste. Wir freuen uns, Sie an Bord begrüßen zu dürfen und wünschen Ihnen einen wunderbaren, erholsamen, aber auch erfolgreichen Aufenthalt auf unserem Kasino-Schaufelraddampfer. In zehn Minuten werden wir ablegen und den Hafen von Kyomochi verlassen. Bei Fragen steht Ihnen unser Personal jederzeit zur Verfügung. Die genaue Reiseroute können Sie den Flyern entnehmen, die sowohl in Ihren Zimmern, als auch auf den Gängen des Schiffes zu finden sind. Ein paar kurze Sicherheitshinweise...“
Tbc:
Der Tan - der große Fluss