Ernst, entschlossen und beinahe grimmig schaute der Hiragana zu Mai und dachte kurz über ihren Einwurf nach. Sie hatte Recht: Arata allein losziehen zu lassen, wäre - ungeachtet seiner Fähigkeiten - absolut fahrlässig, verglichen mit der Option, einen der beiden Chuunin auf Alleingang zu schicken. Wen von den beiden also losziehen lassen? „Ich werde vermutlich besser alleine zurecht kommen, Mai-chan“, meinte Kayros plötzlich. „Ich kann euch leichter aufspüren und bin Experte im Fernkampf. Meine Ninjutsu sind sind flexibler einsetzbar, wenn man auf Abstand bleiben möchte. Deine Geschwindigkeit und dein Taijutsu würden dich aber unter Umständen in eine ähnliche Situation bringen wie Shin, daher brauchst du ein zweites Paar Augen und helfende Hände.“ Kays Blick heftete sich an Arata. „So wie du es vorschlägst. Nur ohne die Rauchwolke, dafür haben wir keine Zeit. Und wir wissen nicht, ob dort nicht andere Unschuldige zu schaden kommen könnten.“
Also war es beschlossene Sache. Als sie das Fabrikgelände erreicht hatten, rollte Kayros noch einmal sein Chakra aus, um nach Shin zu suchen.
Währenddessen kamen Kayros und Ken zum Stadttor Mayakus und schlüpften hindurch. „Da wären wir“, sagte der Hiragana. „Stimmt, da wären wir“, erwiderte der Spion. „Danke. Ab hier komme ich alleine zurecht. Und danke, dass du mich vor den neugierigen Augen gewarnt hast.“ „Das gehört zu meiner Aufgabe.“ Obwohl Ken schon aufmerksam und heimlich war, benötigte es noch zusätzlich eine Portion Glück, dass Kayros ein schemenblasses Gesicht in einem Fenster ausmachen konnte, ehe der junge Mann aus dem Schatten trat. Den Umweg konnte man leicht in Kauf nehmen, denn die Alternative wäre vermutlich schmerzhafter, wenn nicht gar tödlicher gewesen. Nun blieb ihnen nur noch der Abschied. „Sayonara“, flüsterte Ken im Wegdrehen zu, während der Chuunin kurz nickte und sich dann auflöste.
Kayros zuckte kurz, als er sich erhob. „Ken ist außerhalb der Stadt und ab jetzt alleine.“ Soweit die gute Nachricht. „Ich kann Shin nicht spüren.“ Er holte kurz Luft. „Aber das hat nichts zu bedeuten, außer dass er gerade kein Chakra schmiedet. Wenn ich mich recht erinnere...“, er strich sich kurz über das Kinn, „habe ich ihn eher aus der Richtung gespürt, vielleicht sollten wir in dem Bereich schauen.“ Kayros wies auf eine bestimmte Ecke des Komplexes. Arata war dran. Der junge Yamanaka platzierte ein Explosionssiegel irgendwo zwischen zwei Säulen, um die Stabilität des Gebäudes nicht zu gefährdenEr nickte den beiden Chuunin zu und sie machten sich auf den Weg zur anderen Seite. Auf halber Strecke schloss der Genin die Fingerzeichen, um das Siegel zu aktivieren. Gar keine schlechte Chakrakontrolle, dachte sich Kayros anerkennend, als er hinter sich das Krachen wahrnahm. Auf diese Entfernung können die meisten Genin keine Jibaku Fuda verwenden. Das Trio sprintete los, während hinter ihnen der Feind hoffentlich die falschen Schlüsse zog. Und tatsächlich, vor ihnen war der Hinterhof, verlassen und leer. Mondlicht fiel auf die Tür, die einen Spalt offenstand. Ringsherum leerstehende, dunkle und verlassene Häuser. Mai ging voran, Arata bildete das Schlusslicht. Es lief tatsächlich wie am Schnürchen... als Kayros etwas hörte. Es war ein absolut charakteristisches Geräusch, ein Klicken, und die Gefahreninstinkte des Sunas waren trainiert genug, um die Aktion auszuführen, bevor man darüber nachgedacht haben konnte. In einer schnellen Bewegung drehte er sich um die eigene Achse, schloss die Fingerzeichen lenkte somit einen Bolzen ab, dessen Flugbahn jeden der Drei hätte treffen können, wenn einer von ihnen zu langsam gewesen wäre, auszuweichen. Mai und Arata zogen sofort ihre Wurfmesser, wirklich überrascht war keiner der Leute auf dem Platz, denn beide Seiten hatten zumindest damit gerechnet, dass es hierzu kommen würde. Einzig von der schieren Masse der Leute war Kayros doch ein wenig beeindruckt, als die Köpfe aus den Schatten der Fenster hervorlugten und unter den dunklen Vordächern hervorkrochen. „Geht ruhig hinein, Shinobi aus Shiro“, höhnte einer der Handlanger, ein grobschlächtiger Riese, aus dessen Armbrust vermutlich der Bolzen verschossen wurde. „Aber glaubt ja nicht, dass ihr lebend herauskommt, geschweige denn zu eurem Freund!“ Er legte wieder einen Pfeil auf die Sehne, und ein Dutzend weiterer Kriminelle taten es ihm nach. „Deckt mich kurz, bitte!“, rief Kayros ehe er mehrere Fingerzeichenketten schloss. Bevor der Pfeilhagel einsetzte, kauerte sich der Suna hin, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, während Mai und Arata überaus präzise die Pfeile abwehrten, sei es mit Kunai oder mit einer Holzpalette, die kurzerhand als Deckung ihren heroischen Moment in dieser Episode fand.
Kayros' erstes Fingerzeichen erschuf einen Kagebunshin, der gleichsam mit dem Hiragana weitere Fingerzeichen schloss. Ein Pfeil schoss auf Kayros zu, unhaltbar für Mai und Arata, aber einer von insgesamt drei aus dem Boden wachsenden Kayros-Sprösslingen steckte ihn weg, als wäre er nichts. Und vermutlich war das auch so, denn wie sollte ein einzelner normaler Pfeil einer Erdmasse etwas anhaben können? Kayros zog Kunais, präpariert mit vier Siegeln, aus seinen Waffentaschen und schleuderte sie geschickt - an einer Gruppe aus drei Leuten vorbei, die nur höhnisch lachten. Kayros hingegen stand auf - mit Armbrüsten zu schießen gab ihnen immer einen Verschnaufmoment. Oder einen Moment für Koordination. „Ihr geht rein, findet Shin, findet Kemuru. Räumt alles aus dem Weg, was drinnen auf euch wartet. Mai, falls Shin verletzt ist, kannst du dich um ihn kümmern.“ Kayros grinste kurz zu Arata herüber, fast schon neckisch. „Zeit, mir ein reales Kopfgeld zu verdienen, indem ich die drei Dutzend Leute hier kassiere, was?“ Kassieren? Er klang schon Matsuo Ryoichi, als er die Fingerzeichen schloss. „Auf sie!“, brüllte der Hüne und wirbelte seine Armbrust herum als wäre sie eine Keule. Dieser Mann hatte offensichtlich keine Geduld um nachzuladen. Seine Kollegen stimmten mit einem brachialen und stark dissonanten Gegröle ein, als sie ihm folgten. Die Dreiergruppe rechts von ihm, die Kayros zuvor verfehlt hatte, wollten ihm nachfolgen und versuchten ihre Totschläger herumzureißen, doch stattdessen machten sie verwirrte Gesichter, als ihre Beine nicht gehorchen wollten. Danke für die Inspiration zu dieser Kunst, Nara Shika, gedachte Kayros im Stillen, als er die Wirkung seiner Klebesiegel, die entfernt von der Kraft des Kagemane no Hiden war, aber dennoch effektiv genug für diese Schläger, mit Genugtuung wahrnahm. Der Schattendoppelgänger sprang schnell außer Sicht, nachdem er zuvor eine Barriere aus drei kleinen Windsäulen erschaffen hatte, die tanzend den Bereich zwischen den Shinobi und ihren Feinden einnahmen. Keine großen Künste, Kayros, denk an dein Siegel, dass du fütterst. Er warf ein Messer auf eine Truppe von sechs Leuten, langsam und parabelförmig, sodass sie leicht ausweichen konnten - und mit einem Fingerzeichen waren es fünfzig weitere Illusionswaffen, denen die Truppe panisch auszuweichen versuchte, sich gegenseitig anrempelte und einer sogar seinen Kollegen mit der Waffe an den Kopf traf, so dass dieser bewusstlos zusammenbrach. Mai und Arata durften bereits im Gebäude sein und so dürften sie leider den fantastischen Moment verpasst haben, als der Doppelgänger förmlich aus dem Nichts auftauchte und einen Typen nach den anderen mit einem gezielten Nervenkompressionsschlag ausschaltete, die zuvor von Erddoppelgängern mittels Boya Dorudomu festgesetzt wurden, teilweise mit dem ganzen Körper in der Erde, teilweise nur die Beine mit kleinen Erdhügeln gefesselt. Der wirkliche Kayros hatte sich hinter den Kamikaze verschanzt, um Bolzen gefeit zu sein und schleuderte Windnadeln auf die Extremitäten herannahender Gegner, die nicht von den Erddoppelgängern festgehalten wurden. Ihr Gesicht nahm eine merkwürdige Mischung aus Verdutztheit und Schmerz an, als die für sie unsichtbaren Geschosse in ihre Knie und Ellenbogengelenke einfuhren und sie stürzten oder die Waffen fallen ließen. Ja, Wind war schon ein tückisches Medium, wenn man es zum Angriff einsetzte.
Kayros wollte hier niemanden töten. Er wollte auch nicht die Umgebung verwüsten. Er wollte sie nur kampfunfähig machen. Natürlich hätte er auch mit den anderen hineingehen und die Tür mit einer Erdmauer unpassierbar machen können. Dadurch wären aber weder die Feinde aus dem Weg geräumt noch die vielleicht einzige Fluchtroute versperrt. Für ihn alleine wäre es ein Leichtes, hindurchzukommen. Aber er war nicht allein. Übrigens: Kayros 9: Schlägertrupp Minus 1, da Eigentreffer.