Eigentlich war Akeno ja ein lieber Junge, wenn auch nicht anständig, weil er immer noch keine Definition von "Anstand" gefunden hatte, der er vorbehaltlos hätte zustimmen können. Eigentlich war er auch kein Kleptomane, da er schon der Meinung war, dass jedem das zustand, das er besaß, aber auch wenn der Yamanaka organisatorisch extrem wenig auf die Reihe bekam, so konnte er durchaus Prioritäten setzen. Beispielsweise war Nahrungsaufnahme wichtiger als allgemeine Körperhygiene - eine Einstellung, bei der Gaki sicherlich auf seiner Seite wäre - und die Vergrößerung seiner Puppensammlung war nun einmal über die Komplettiertheit der Kleidung eines jeden Menschen zu setzen - in diesem Fall würde der Sprayer sicherlich die flache Hand vor die Stirn hauen. Es war nun einmal so, dass Akeno unbedingt eine neue Kreation hatte basteln wollen, bei eingehender Musterung aber festgestellt hatte, dass er keine Stoffreste mehr hatte, die er hätte verwenden können. Das war noch nicht der Punkt gewesen, an dem er sich an Gakis Kleiderschrank vergriffen hatte, denn sein erster Gang war zu seinem eigenen gewesen, um in dem Durcheinander nach einem Shirt zu suchen. Dummerweise war er allerdings nicht fündig geworden und dank dem vermaledeiten Waschtag hatte er auch nicht auf dreckige Exemplare zurück greifen können. In diesem Moment hätte er sich ja gerne die Kleider vom Leib gerissen, das dumme war nur, dass er keine trug. Oder zumindest nicht das, was man unter Oberbekleidung verstanden hätte, denn die vorangehende Stunde hatte der Yamanaka unter der brühenden Hitze leidend auf dem Bett liegend verbracht, Arme und Beine weit von sich gestreckt und so wenig wie möglich am Körper tragend. Inzwischen hatte er die schmale Gestalt in ein Bettlaken gehüllt, das seinen Körper luftig umhüllte und ihm außerdem die Möglichkeit gab, Superheldenähnlich durchs Zimmer zu springen, ehe er wieder bemerkte, dass zu viel Bewegung seinem Schweißfluss geradezu in die Hände spielte. Die darauffolgende Verschnaufpause hatte ihn allerdings so schnell gelangweilt, dass er eben auf die Idee gekommen war, zu nähen, womit wir wieder beim vorliegenden Problem wären: In Ermangelung anderer Quellen hatte er sich eben an Gakis Kleiderschrank gütlich getan und diesem das offenbar letzte Shirt geklaut.
Er hätte es ihm ja wieder gegeben... wenn es denn noch in einem tragbaren Zustand gewesen wäre. Na ja, Gaki konnte die Puppe vielleicht im Arm tragen, aber zu mehr taugte der Stoff nun nicht mehr. Daher erschrak der Blonde durchaus ein wenig, als auf einmal furios gegen seine Tür gepocht wurde, aber dennoch war es nicht sein Schuldbewusstsein, das ihn quälte, sondern mehr die Sorge darum, wie Gaki das wohl aufnehmen würde. Für ihn selbst war sonnenklar, dass dieses Shirt hatte geopfert werden müssen, aber leider waren seine Schlussfolgerungen meist von ganz anderer Qualität als die der restlichen Menschheit... aus diesem Grund versuchte Akeno auch überhaupt nicht eindeutig unschuldig zu klingen, als er die Tür öffnete und »Was für ein Shirt...?« fragte. Die nagelneue Puppe lag zum Glück unter seinem Bett, zusammen mit gefühlt hundert weiteren, die würde schon nicht auffallen. Es sei denn natürlich, der Sprayer würde seine Sammlung auswendig kennen, aber wie wahrscheinlich war das denn? »Vielleicht hast du es... gegessen?«, riet er weiter, gar nicht bemerkend, dass er sich damit wohl immer weiter in die Scheiße ritt. Es war schließlich eine Sache, mit einem unwiderstehlich kindlichen Augenaufschlag zu fragen, welche Kekse gemeint waren, während man noch kaute, eine andere, auch noch wahnwitzige Vorschläge zu machen, was denn stattdessen mit ihnen passiert sein könnte. Aber gerade machte diese Vermutung wahrhaftig Sinn in dem verqueren Kopf des Blonden, schließlich schlang Gaki doch ziemlich alles herunter, was man ihm vorsetzte... oder? Im Großen und Ganzen musste der Yamanakasprössling ein unterhaltsames Bild abgeben, wie er da in kurzer Hose mit einem wallenden, gerafften Umhang dastand - aber gab er das nicht öfter?