Der Nieselregen nahm nunmehr die Ausmaße schwacher, vereinzelter Tropfen an, was das diesige Wetter allerdings nicht weniger unangenehm machte. Für einen kurzen Moment gestattete die Kunoichi sich einen flüchtigen Blick Richtung Himmel, nur um da eine noch dunklere Wolkenfront zu entdecken – schlechtes Wetter, schlecht für jede Reise. Na, diese Mission fing ja heiter an.
Und dann kam Polly.
Polly hieß in Wirklichkeit Kayros, kam quietschfidel an und sabbelte irgend etwas von „Zimtblümchen“ und „Mission“. Warum der Hiragana ihr irgendwie auf Schritt und Tritt folgte und aufgrund der Geschehnisse im Chuuninexamen allen Grund hatte, nunmehr eine Laune wie sieben Tage Regenwetter zu haben (bzw. haben sollte), schien er fröhlich, als würde die Sonne schon seit dreiundneunzig Stunden scheinen. Es gab für dieses Phänomen folgende Erklärungen
- Kayros hatte sich Drogen reingepfiffen. Sei es nun LSD oder eine Überdosis Schokolade, was immer er genommen hatte, es war zuviel. Bei genauerer Betrachtung und angesichts Kayros’ Profession als Medicnin gar nicht unwahrscheinlich.
- Der Medic hatte seit neuestem eine Freundin und er war gekommen, um Junko das brühwarm und vollkommen begeistert zu berichten (und es konnte natürlich nicht bis zu ihrer Rückkehr von der Mission warten)
- Als der gesunde Menschenverstand und das allgemeine Empfinden, welches nun einmal diktierte, dass sich die Stimmung bei Regenwetter etwas drückte, angekündigt wurde, hatte Kayros gepennt.
- Kayros knallte jetzt vollkommen durch und nutzte die freundliche Begrüßung als geschickte Ablenkung, um sodann ein blutiges Gemetzel anzurichten.
- Er rechnete damit, für seine Unverschämtheit Aufmerksamkeit und Prügel zu bekommen und sehnte sich danach.
Welcher Punkt auch immer zutraf, Junko wusste, dass sie nur eine gewisse Menge an Gefühl pro Tag zur Verfügung hatte – und angesichts des Regenwetters hatte sie gerade weder das Bedürfnis, noch die Absicht, Kayros’ Kapriolen auch noch mit übermäßiger Aufmerksamkeit oder dem An-die-Wand-klatschen zu belohnen, welches er sich wohl erhoffte. Somit runzelte die Kunoichi nur die Stirn, während sie ihre Akte sorgfältig verstaute und somit vor Regen schützte, ohne auch nur zu dem Hiragana aufzublicken.
„Eine weitere Mission ohne deine Hilfe oder deine unerwünschte Anleitung. Gehe nach Hause und vergiss nicht, die Blumen zu gießen.“ Auf jedem Wort lag eine dünne Eisschicht – na so was, jetzt hatte sich die Kunoichi doch glatt doch zu einem bösartigen Seitenhieb hinreißen lassen – tja, aber seien wir mal ehrlich. Zimtblümchen. Karura hätte ihm sämtliche Knochen gebrochen, Itoe hätte seine Eingeweide vaporisiert, Kin hätte ihre Käfer so lange an ihm herumsuckeln lassen, bis er nur noch wimmernd am Boden lag, nur um ihn dann zu kastrieren … irgendwie war diese leise, mit scharfem Unterton vorgetragene Warnung doch noch harmlos, oder?
Als erster ihrer drei Teammitglieder tauchte sodann Tsyoshi auf, bevor Kayros auch nur antworten konnte.
Jetzt schicken sie mir schon verletzte Genin für schlichte Offensivmissionen So etwas dachte sich Junko im Stillen, während sie mit gehobener Braue und skeptischen Blick den armen Tsyoshi von oben bis unten musterte und diesem nur mit einem knappen Nicken zum Gruß bedachte. Ryoichi jedoch, der plötzlich da zu sein schien und sich nach den Krähen erkundigte, erhielt eine etwas ausführlichere Begrüßung.
„Es ist der Regen. Dadurch rotten sich die Insekten, die bekanntlich als Nahrung für Vögel dienen, in den Bäumen und auf dem Erdboden zusammen, weswegen sich die Jäger dort sammeln.“ Nun, oder zumindest so ähnlich. Junko wusste nicht, ob das jetzt speziell auf Krähen zutraf, aber auf Singvögel definitiv. Irgendwie hatten Krähen vom symbolischen Charakter her mehr Reize als auf der biologischen Ebene, wer hätte das gedacht? Jetzt fehlte nur noch Sakamoto, ein Suna-Nin, wie die Chuunin wusste, und dann war ihr Team komplett. Ein rascher Blick auf die Uhr verriet ihr, dass ebenjener noch einige Minuten Zeit hatte, während das Geprassel des Regens zunahm. Krähen und Dunkelheit, beides wurde vom mythologischen Aspekt her als böses Omen, wenn nicht sogar als Todesbote empfunden. Wäre Junko abergläubisch, könnte sie glatt mit Schwierigkeiten mit ihrer Mission rechnen – aber sie war nicht abergläubisch, nur das Wetter war schlecht. Alles Nonsens. Und just in diesem Augenblick glitt Itoe vorbei, mit geschnittenem Haar, Regenschirm, elegantem Kimono und nicht zuletzt gleitend wie ein Wesen, welches nicht wirklich in diesen Teil der Realität gehörte. „Passt auf euch auf“ – das sagte sie im kurzen und glitt genauso rasch davon, wie sie gekommen war. Die Konoha-Chuunin blinzelte der Hyuuga tatsächlich einige Male hinterher, während sie stetig versuchte, ihren rationalen Verstand daran zu hindern, das Mädchen mit dem Regenschirm mit dem Begriff „Todesfee“ in Verbindung zu bringen. Na toll, Aberglaube, Freitag der Dreizehnte und Klischees vor der Mission – und auch noch Poll … äh, ich meinte natürlich Kayros. Was mochte diese Mission noch an Überraschungen parat haben?