Der alte Mann und das Goldlöckchen
Alltägliche Geschichten des Hauses Fujiwara
coverfasst von Nanpa und Monjo
Im Hause Fujiwara hörte man Tellerklappern. Nach einem schmackhaften Mahl war es Zeit, den Abwasch zu erledigen. Das verlief traditionell nach dem Prinzip der Arbeitsteilung. Während ich mich darum kümmerte, auf die Spüle gelegte Geschirrstücke abzutrocknen und wegzuräumen, war Nanpa für den nassen Teil verantwortlich. Er schaut zwar immer grimmig, aber ich bin sicher, dass er es genauso lustig wie ich findet, wenn ich ihn ärgere und er sich mit tropfenden Händen nicht dagegen wehren kann! Während wir also eines Abends unserer alltäglichen Routine nachgingen, erkundigte ich mich danach, wieso mein blonder Ehemann aus dem Nichts heraus begonnen hatte, mich mit eisigen Blicken zu durchbohren. Ich konnte nicht leugnen, dass mir paradoxerweise ein bisschen heiß wurde. Sicherlich hatte ich diverse Dinge ausgefressen – es war immer eine Frage der Zeit, bis der Chefredakteur, der nebenbei irgendwelche Detektivveranlagungen zu besitzen schien, mich darauf aufmerksam machte. Und so finster wie er schaute, hatte ich wohl irgendetwas Übles getan. Zu dumm, dass ich als alter Mann meinem Gedächtnis kaum mehr vertrauen kann. Deshalb lächelte ich einfach. Lächeln war immer gut.
Es ist sehr einfach, mich aufzuregen, das hält man mir auch unglaublich gerne vor. Meist ist es einfach so, dass ich dermaßen perfektionistisch bin, dass mich schon Kleinigkeiten aus dem Konzept bringen, zumindest dann, wenn ich sie nicht selbst sofort beheben kann. Ebenso werde ich gerne als nachtragend beschrieben, weil ich ein so gutes Gedächtnis habe, dass ich einfach nicht vergesse, wenn mir irgendetwas in der Vergangenheit sauer aufgestoßen ist, gemischt mit einer Penetranz, das ganze auch immer wieder aufleben zu lassen, macht das sicherlich nicht unbedingt den ruhigsten Zeitgenossen aus mir. Nun gibt es natürlich Dinge, die selbst ich schnell vergeben kann, wenn beispielsweise jemand vergessen hat, den Müll rauszubringen oder ähnliches, aber manche Vergehen sind so unglaublich schwerwiegend, dass ich geradezu Monate immer wieder darauf herumtrampeln kann. Besonders wenn es um meine Arbeit geht, hört mein Humor recht schnell auf (Manche behaupten, ich würde eh keinen besitzen, da könne nichts verloren gehen, aber das ist falsch!) und obwohl es selten irgendwelche Schnitzer gibt, kann eben auch das einmal vorkommen. Dass ich Shiro und Sora in ihren albernen Streitereien zurecht stutzen muss, ist ja nichts neues, aber wenn dann auch noch jemand die Dreistigkeit besitzt, in vollem Wissen um diese Tat eine Zeitungsente einzubauen, wirft mich das echt aus den Galoschen. Und natürlich erst recht, wenn besagter Kerl nicht mal bemerkt, worum es wohl gehen könnte, wenn ich ihn deswegen etwas schärfer ansehe. Wenn ich ziemlich sicher bin, dass er ganz genau weiß, was ich meine, antworte ich im Allgemeinen nie oder zumindest nicht direkt… sodass die Antwort in diesem Falle aus nur noch einem verärgerten Blick bestand und einem Hinweis, dass er es doch genau wisse.
Er meinte, dass ich genau wusste, was los war. Das kam oft vor. Wieso können manche Menschen nicht einfach sagen, was sie aufregt? Im Bruchteil einer Sekunde konnte man eine Diskussion führen, sich aussöhnen und sich anderen Dingen zuwenden. Leider sah mein Ehegatte das etwas anders als ich. Er liebte es in Kleinigkeiten zu bohren, und wenn ich mir anmaß etwas Größeres anzustellen, was durchaus einmal vorkam, kramte er es immer wieder hervor. Um die Situation in der Küche, die von einem harmlosen Geschirrtuchwischen zu einem Abtausch eisiger Blicke und unsicheren Lächeln geworden war, zu verstehen, musste ich also einfach nur an die letzte Sache denken, die ich verbockt hatte. Natürlich. Nach einer kurzen, zugegeben etwas angenervten Nachfrage, ob es denn nun wirklich um die Sache mit der Artikelüberschrift ging, erntete ich ein entrüstetes Schnauben, als hätte ich gefragt, ob es in Sunagakure heiß war. Volltreffer. Allerdings galt es nun schleunigst, den Eisberg zu umschiffen, wie auch immer ich das anstellen sollte. Durch Zärtlichkeit? Verständnis? Zurückgiften? Nanpa erinnert mich oft an eine Zeitbombe, bestehend aus unendlich vielen Drähten. Ich muss ständig aufpassen, nicht den Falschen zu kappen, wenn ich versuche ihn zu beruhigen. Lästig, ja. Aber auch spannend. Nun, da ich den Knackpunkt gefunden hatte, galt es, mir Reue anmerken zu lassen. Ich ließ also die Schultern hängen, setzte einen ertappten Blick auf und trocknete weiter, wobei ich – meinen kurzen Ausbruch übergehend – mich danach erkundigte, was ihn so spontan dazu gebracht hatte, nun sauer auf mich zu sein. Es war ja nicht so, als wäre diese Sache nicht schon gefühlte Ewigkeiten her. Wieso war sie ihm plötzlich wieder so wichtig? Hatte ich meinen Fehler nicht bitter bereuen müssen?
Manch einer wirft mir sogar vor, über die Maßen pingelig zu sein, das kenne ich auch schon zur Genüge, aber immerhin weiß ich, was wichtig ist und was nicht. In diesem Falle schien Monjo nicht zu verstehen, wo das Problem lag, was ich persönlich nicht in hundert Jahren verstehen würde. Immerhin hatte er einen Artikel in der Zeitung, die ich leitete, auf kindische Weise verunziert mit dem Ergebnis, dass sich sicherlich viele Leser gefragt hatten, ob sie ein Magazin lesen sollten, das so einen Müll druckte. Ich hatte natürlich keine Beweise für diese Theorie, aber zumindest den starken Verdacht, dass es so sein musste, immerhin würde ich eindeutig mit einem Boykott reagieren, wenn man versuchen würde, mich für blöd zu verkaufen. So einen Blödsinn zu verzapfen, das hätte ich ihm durchaus zugetraut, aber man hofft ja immer auf das beste. Das albernste an dieser Situation war eigentlich, dass ich nicht einmal wusste, wie ich gerade darauf kam, aber nun war es da, sodass die Antwort aus der reinen Wahrheit bestand, ich habe keine Ahnung, aber stellte mir gerade vor, wie viele Leser wir wohl wegen seiner ach so tollen Idee verloren hätten. Ich weiß, ich bin gerne mal Schwarzmaler, aber schon während ich es aussprach, fiel mir ein, was mich störte: Er schien nicht begriffen zu haben, wie unglaublich weitreichend die Folgen seiner Handlung sein konnten, immer noch nicht, obwohl ich ja eigentlich der Meinung war, ihm das einigermaßen verständlich eingebläut zu haben. Da meine Stimme sicherlich schon gereizt genug klang, behielt ich diese Feststellung allerdings für mich – vorerst.
Wenn es um die Arbeit ging, war Nanpa in vielerlei Hinsicht verbohrt. Er handelte immer im Interesse der Leser, was gut und recht war, doch leider münzte er oftmals seine eigenen Meinungen und Standpunkte auf seine Kunden um und vergaß dabei oft, dass die Welt nicht nur aus ernsten Menschen bestand. Allein deshalb, weil er so finster prophezeite, dass wir Leser verlieren würden, während ich als lebendes Beispiel des Humors neben ihm stand, brachte mich beinahe zum Lachen. Natürlich nur beinahe. Da ich nun jedoch wusste, wo das Problem lag – ein ziemlich engstirniges Problem, wohlgemerkt – beschloss ich, ihm meine Sicht der Dinge zu unterbreiten. Als ich also gerade in die Knie ging, um eine Plastikschüssel einzuräumen, erklärte ich, dass sowieso niemand außer jenen, die wissenschaftliches Blabla interessierte, den Artikel gelesen hätten und es um diesen verschwindend geringen Prozentsatz ohnehin nicht wirklich schade wäre. Mir kam meine Argumentation sehr überzeugend vor, doch als ich aufblickte, strahlte mir das Verderben hinter Brillengläsern entgegen, weshalb ich erst einmal schluckte und mich fragte, ob ich es wohl noch schaffen würde mein Bettzeug auf die Couch zu verfrachten, bevor sich mein Goldlöckchen im Schlafzimmer einschließen würde. Unwahrscheinlich.
Man kann auf unterschiedliche Arten und Weisen darauf reagieren, dass einem der eigene Körper sagt, dass man kurz vor einem Wutausbruch steht. Zum Beispiel kann man sich zurückziehen und schmollen, aber das war gerade nicht die Reaktion, die ich liefern konnte. Zumal ich mir das abgewöhnen wollte, weil es seltsame Gerüchte und Verleumdungen über mich in die Welt setzte und ich meiner Ansicht nach nun einmal keine Diva bin. Leider stehe ich, was diese Meinung angeht, im Allgemeinen ganz alleine da, aber das stört mich nur geringfügig. Die andere Möglichkeit ist, offensiv zu werden, was unterhaltsamerweise bei der Berufsgruppe, für die ich eigentlich ausgebildet wurde, schon einmal zu größeren Schäden führen kann. Da ich aber weder Lust hatte, jemanden ins Krankenhaus zu bringen, noch, die Küche zu restaurieren, sah ich gnädigerweise davon ab, ihm für diese anmaßende Behauptung etwas unsagbar heißes ins Gesicht zu schlagen, sondern packte ihn nur am Kragen und zog ihn mit wahrscheinlich tödlichen Blicken auf meine Höhe hoch, um in anzufahren, wie er nur auf die Idee käme, dass die Leserschaft des WhiteSkys mehr Interesse an irgendwelchen Verkupplungsversuchen habe. Um genau zu sein, war mir das selbst bewusst, aber aus seinem Mund gesprochen hatte es schon wieder etwas von einer Beleidigung und das konnte ich nun einmal nicht auf mir sitzen lassen.
Mehrere mögliche Antworten bildeten sich in meinem Kopf, während ich so am Kragen nach oben gezerrt wurde und mich damit konfrontiert sah, demnächst eines qualvollen Todes zu sterben. Einerseits interessierte sich jeder Mensch – sogar jemand wie Nanpa, ich war der Beweis dafür – für Liebe und Partnerschaft und zudem waren die Leser mit großer Wahrscheinlichkeit sensationsgeil genug, es wahnsinnig toll zu finden, wenn andere sich zum Affen machten, um eine Frau oder einen Mann zu finden. Doch das konnte ich nicht sagen. Ich musste es anders ausdrücken, oder mit dem Ärger leben, der sich anbahnte. Da ich Letzteres jedoch weder wollte noch überlebt hätte, räusperte ich mich, um meinen eingezwängten Hals zu befreien und säuselte stattdessen mit meiner allerliebsten Stimme, dass ich es doch gar nicht so gemeint hatte und es natürlich mein Fehler gewesen war. Selbstverständlich würde ich mich in Zukunft aus seinen Artikeln raushalten, doch sollte man doch Privates und Beruf nicht vermischen. War das nicht genau das, was er sonst immer predigte? Wenn ich ihn in der Mittagspause auf seinem Schreibtisch überraschte war ich ein Trottel, doch wenn er Zuhause wegen der Arbeit herumkeifte, ging das in Ordnung? Ja, als ich diese Frage stellte, setzte ich sprichwörtlich meinen Fuß auf's Glatteis, denn entweder würde das seinen Perfektionismus ankratzen und ihn besänftigen, oder aber sein Ego - was dazu führen würde, dass man mich aufwischen durfte.
Ich bin eigentlich ein logisch denkender Mensch und der Vorteil ist, dass ich irgendwann bemerke, wenn ich mich argumentativ in die Klemme manövriert habe. Nun ärgerte mich nur noch, dass er es gerade geschafft hatte, mich mit meinen eigenen Worten zu schlagen, was in etwa einem Eigentor im Fußball gleichkam und in etwa die höchste Schande war, die man verzapfen konnte. Widerwillig schnaubend – ich gebe ungerne zu, wenn ich einen Fehler gemacht habe, ich sehe es ein, aber man muss mich ja nun nicht dazu bringen, dass auch noch zu gestehen – ließ ich ihn also los und murmelte wahrscheinlich ziemlich unmöglich zu verstehen, dass er irgendwo Recht habe. Inständig hoffend, dass er es nicht verstanden hatte, nahm ich stattdessen den nächsten Teller in die Hand und säuberte ihn mit dermaßen Engelsgeduld, dass wahrscheinlich verständlich sein sollte, dass das Thema vom Tisch war. Natürlich müsste man es ihm nachsehen, wenn er nicht der Meinung war, aber im Allgemeinen war er selten auf Streit aus, was bedeutete, dass das Eis nun nicht weiter einbrechen würde. Wahrscheinlich zumindest.
Es funktionierte! Es funktionierte tatsächlich! Man musste einfach nur die Perfektion des Blonden gegen ihn ausspielen, und schon war der Streit abgewendet. Mich selbst bejubelnd machte ich also weiter mit meiner Arbeit und beobachtete zufrieden aus dem Augenwinkeln, wie Nanpa begann, sich abzuregen bis er irgendwann wieder zu seiner gewohnten Ruhe zurückgekehrt war. Nachdem der Abwasch erledigt war und ich mir eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, die ich an die Theke gelehnt genoss, kam mir ein Gedanke. Ich hatte es schon vor Wochen immer wieder einmal anklingen lassen, aber noch nie wirklich davon gesprochen. Nun, da wir uns versöhnt hatten, erschien mir der Augenblick günstig, und so fragte ich mein Goldlöckchen geradeheraus, was es eigentlich davon halten würde, wenn in unserem Haushalt noch ein drittes Mitglied einziehen würde, ein kleines. Platz genug hätten wir ja, und auch einen großen Garten, außerdem verdienten wir viel und konnten wenn nötig sogar von Zuhause aus arbeiten! Zudem ließ ich einfließen, dass das schon seit Längerem ein Wunsch von mir war, da ich die Erfahrung gemacht hatte, mit persönlichen Bezügen bei ihm punkten zu können. Außerdem überrumpelte ihn die Frage sicher so sehr, dass er ganz spontan und ehrlich antworten würde. Der perfekte Plan!
Bekannterweise ist mein Ehemann, was seine Ernährung angeht, nicht gerade einer von der komplizierten Sorte. Wenn er satt ist und seinen Kaffee hat, ist im Allgemeinen alles in Ordnung, während ich die kackbraune Flüssigkeit mit dem ekelig bitteren Geschmack noch nie leiden konnte. Unsere Wohnung riecht zwar dauerhaft danach, aber immerhin muss ich das Zeug nicht auch noch zu mir nehmen. Ich hab dafür ja meinen Ersatz, der sowieso viel gesünder ist, meine Magenschleimhäute in Ruhe lässt und trotzdem einen wachen Effekt hatte: Ich hatte mir also gerade die Tasse Tee genommen, die ich neben die Spüle gestellt hatte - natürlich zum Ziehen lassen mit einer Untertasse darüber, Seifenaroma war auch nicht so meins – als er es mit zielsicherer Stimme schaffte, mich dazu zu bringen, den Großteil des heißen Wassers in meine Luftröhre wandern zu lassen und erst einmal krampfhaft zu husten. Bitte was, hatte er da gerade gesagt? Natürlich ging ich sofort davon aus, dass es sich dabei um einen Scherz handeln musste, denn alles andere wäre schlichtweg albern. Es mochte zwar stimmen, dass viele Menschen gleich Muttergefühle bekommen, wenn sie kleine Kinder sahen, aber zumindest ich gehöre eindeutig nicht dazu, das war noch nie so und würde nie so sein und zudem musste er ganz genau wissen, dass ich eindeutig keine Lust haben würde, meine kostbare Zeit auf ein kleines Würmchen zu verschwenden. Insofern darf man sich nicht wundern, dass meine Reaktion aus einem leichten Lächeln und der Erklärung bestand, dass das ein schlechter Scherz sein musste, denn nichts anderes konnte gemeint sein… vollkommen unmöglich.
Ein schlechter Scherz? Nun gut, vielleicht hatte ich es nicht ernst genug vorgeschlagen. Es kommt vor, dass ich über alles und jeden Witze mache, egal ob diese Dinge nun wichtig sind oder nicht. Aber in der soeben besprochenen Angelegenheit war ich weniger darauf aus, mich über etwas lustig zu machen - ich meinte es genauso, wie ich es sagte. Es schlug mir ein wenig ins Gesicht, wie selbstverständlich Nanpa meinen Vorschlag als schlechten Scherz abtat, aber ich fühlte mich deshalb nicht verletzt. Als ich ihm einen Antrag gemacht hatte, war die Reaktion nicht viel anders gewesen. Das Geheimnis war, ihn weich zu klopfen, ganz langsam. Und so wiederholte ich meine Bitte noch einmal, diesmal eindringlicher, ohne zu lächeln. Ich wurde schließlich auch nicht jünger, ebenso wenig wie mein Gatte. Ich hatte viele Argumente vorzuweisen und wusste, wenn ich ihn erst einmal dazu gekriegt hatte, sich für die Idee zu beweisen, würde er ganz Feuer und Flamme sein. Doch dazu musste man natürlich erst einmal den Funken in die Glut setzen. Leichter gesagt als getan ...
Es sollte also tatsächlich ernst sein und nicht bloß ein gescheiterter Versuch, die Atmosphäre wieder einigermaßen zu lockern? Einen Moment war ich nicht ganz sicher, wie ich mit diesem Wissen darauf reagieren sollte, auch wenn ich wusste, dass eine Zustimmung in keinem Fall erfolgen würde, nicht einmal, wenn man mich bedrohen würde, nein… niemals! Wenn er auf eine so seltsame Idee kam, musste er eindeutig unter Schlafmangel leiden, was weiterführend hieß, dass ich ihn seines Kaffees berauben und ins Bett schicken sollte, damit er am nächsten Tag nicht auf dem Zahnfleisch kroch. Wahrscheinlich würde er am nächsten Morgen bemerken, wie absurd sein Vorschlag gewesen war, da war ich komplett sicher. Deswegen äußerte ich vorsichtig, dass es ein anstrengender Tag gewesen war – was ein wenig geschummelt war, wenn man von einem unschönen Zwischenfall in der Redaktion absah, bei dem Setsu irgendetwas fast in die Luft gejagt hatte – und griff nach der noch fast vollen Kaffeetasse, um sie ihm ganz einfach wegzunehmen, da ich immer noch der Meinung war, dass man das Zeug wahrlich nicht vorm Schlafengehen trinken sollte. Meine eigene Tasse stand schon längst wieder auf der Spüle, da ich ein wenig in Sorge gewesen war, bei diesem Gesprächsthema demnächst noch Tee auf dem Boden zu verteilen.
Im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten, die nach einer abendlichen Kaffeetasse die ganze Nacht zitternd die Decke anstarren, kam ich sehr gut damit klar, auch kurz vor dem Schlafengehen noch reichlich Koffein zu genießen. Das lag vermutlich daran, dass ich mir den ganzen Tag über soviel davon den Hals hinuntergoss, dass ich nichts mehr davon bemerkte. Jeder hat eben seine Schwächen. Nanpa beispielsweise konnte derzeit keine ernst gemeinte Diskussion führen, wie es aussah. Nun gut. Es war zumindest ein Anfang gewesen, auf den ich aufbauen konnte. Ich würde ihn weiterhin unterschwellig darauf aufmerksam machen, zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten, bis er irgendwann darüber nachdachte und wir reden konnten. Doch bis dahin war es nun wohl Schlafenszeit, wie der energische Kaffeeraub symbolisieren sollte. Voller Unschuld fragte ich also, ob Nanpa nun wirklich schon schlafen wollte, etwas enttäuscht darüber, dass ich mir irgendwie meine Chancen verbaut hatte, noch etwas Spaß zu haben.
Obwohl ich natürlich jeden Tag darauf Acht gebe, rechtzeitig ins Bett zu kommen, damit ich den nächsten Morgen nicht wie ein Zombie herumlaufe (außerdem neige ich zu Augenringen bei zu wenig Schlaf), war die Aussage, dass der Tag anstrengend gewesen war, nur ein Hinweis darauf, dass Monjo selbst sich mal langsam ins Bett begeben sollte. Damit hatte ich ganz bestimmt nichts über mich selbst gesagt, zumal da noch ein sehr spannendes Buch darauf wartete, gelesen zu werden, weswegen ich also anklingen ließ, dass ich das Gefühl habe, er sollte dringend ins Bett, wenn er schon auf so seltsame Ideen käme. Ich weiß, dass ich oft zu streng oder gar anmaßend zickig klinge, sodass ich zumindest versuchte, meiner Stimme ihre Schärfe zu nehmen, was eine Herausforderung war, an der ich meist scheiterte. Wahrscheinlich auch jetzt, weswegen ich seufzte und irgendwas von wegen, ich habe da noch einen interessanten Roman, sagte, ihm einen Kuss auf die Wange gab und meine Tasse Tee wieder aufnahm. Müde war ich in keinem Falle, eher gerade absolut unmotiviert, mich weiter über so ein bescheuertes Thema zu unterhalten – konnte man es mir denn verübeln?