I
Iwamoto Shai
Guest
Abgelegener Friedhof am Westtor
Der Friedhof am Westtor ist ein Friedhof, der ziemlich weit abgeschieden von der Zivilisation liegt. Hier werden meist die Leute begraben oder bestattet, die aus ärmlichen Familien kommen und für ein luxuriöses Grab kein Geld besitzen. Da die Armutsrate nicht zu unterschätzen ist, häufen sich die Grabsteine hier, alles sieht irgendwie ein wenig spärrlich und ungepflegt aus, was dazu führt, dass ein jeder, der an dem Friedhof vorbeiläuft schnell das Gefühl der Trauer und des Mitleidens empfindet.
_______________
"Shai! Komm runter zum Essen!", hallte die laute Stimme von Ichinose-san, der Leiterin des Waisenhauses, durch die Gänge, um das blonde Mädchen - welches schon seit Tagen deprimiert und traurig in ihrem Zimmer saß - von ihrer Trauer abzulenken. Sie musste etwas essen, damit sie zu Kräften kam, doch das Mädchen bewegte sich nicht von ihrem Bett weg, saß mit gesenktem Kopf auf der Bettkante und starrte geistesabwesend den kahlen Parkettboden an, in dem sich leicht ihr Gesicht spiegelte. Zugegeben, Shai sah nicht gerade gesund aus, denn die Mission, die sie vor ca. einem Monat 'bewältigt' hatte, setzte dem Mädchen noch mehr zu, als überhaupt gedacht. Vor einem Monat hatte sich die Iwamoto noch gewünscht, diese Mission anzutreten, doch hätte sie gewusst, wie sie endete, hätte sie alles versucht, um ihre Freunde zu überreden, eine andere Mission zu nehmen. Es war einfach nur schrecklich. Was genau passiert war, wusste das Mädchen nicht, denn zu dem Zeitpunkt der Explosion befand sie sich alleine im Schlafraum und kämpfte mit ihrem hohen Fieber. Shiro, der eigentlich bei ihr war, stürmte zur Quelle der Explosion und kam nie wieder zurück... Keinen, aber auch wirklich keinen aus den zwei Teams hatte das Mädchen an der Unfallstelle wiedergesehen. Sie waren alle fort. Weit weg von ihr und würden wahrscheinlich nie wieder kommen. Ob sie tot waren oder nicht, wusste Shai nicht, doch brachte das Hoffen auf eventuelle Wiederkehr der Teammitglieder auch nicht viel... Um ehrlich zu sein, wusste das Mädchen nicht einmal, was sie überhaupt noch glauben sollte und ob sie jemals in der Lage werden würde, klar zu denken. Wie oft wollte man ihr die wichtigsten Personen noch wegnehmen? Wie oft wollte das Schicksal sie denn noch leiden sehen? War es nicht genug, wie sie sich gefühlt hatte.. musste man denn noch etwas draufsetzen? "WIE OFT NOCH?!", beendete Shai laut ihre gedanklichen Fragen und starrte zornig ihr leicht gespiegeltes Bild im Boden an. Ihre Augen hatten sich geweitet und wenn man genauer hinschaute, bemerkte man, die roten Äderchen in ihren Augäpfeln, die anhand von Schlafmangel nun deutlich sichtbar waren. "SHAI! Hast du mich gehört?!", ertönte wiederholt die Stimme Ichinose-san's auf dem Gang, doch Shai stand nur zornig auf, öffnete ihre Zimmertür und brüllte genauso laut zurück: "LASS MICH IN RUHE! ICH HABE KEINEN HUNGER!" Dass die alte Frau des Waisenhauses nichts dafür konnte, wusste Shai selbst, doch wenn man dem Mädchen keine Ruhe ließ, bekam der Nächstbeste eben ihre ganzen Aggressionen auf einmal ab. Wieso verstanden diese nervigen Leute nicht, dass Shai einfach Ruhe brauchte? ~ Es war nicht zum aushalten. Warum hatte die Hokage beschlossen, das Mädchen wieder ins Heim zu schicken? Nur, weil Hiyashi tot war und Toki bewusstlos im Krankenhaus lag? Ja, Hiyashi war tot, das war keine Lüge. Da die Hokage von Mizu bzw. Saya keine Missionsberichte geschickt bekommen hatte, sandt sie einige Truppen aus, um den zwei Teams Unterstützung zu bieten - darunter auch Hiyashi und Toki, da sie in Sorge nichts machen konnten, außer sich dem Hilfstrupp anzuschließen. Es ging alles viel zu schnell, sodass Shai noch heute keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie weiß nur noch, wie es zu einer Explosion kam, das Haus über sie zusammenfiel, sie herausgeholt wurde und man kämpfte... Irgendjemand kämpfte und fiel dann zu Boden. Es roch nach frischem Blut und wenn sich das Mädchen nicht irrte, hatte sie sogar gespürt, wie es langsam unter ihre Fingerkuppen eine Lache bildete. Sie selbst wurde nicht getroffen, aber ein Mensch, der ihr im Leben sehr wichtig war, obwohl sie lange Zeit nichts mit ihm zu tun hatte: Iwamoto Hiyashi. Er warf sich vor Toki und Shai, damit die beiden fliehen konnten und starb bei dem Kampf gegen einen Kiri-Nuke. Seine Leiche wurde zwei Tage später gefunden und auf dem Friedhof beim Westtor begraben. Eine Beerdigung fand nicht statt, dafür fehlte das nötige Geld. Es war traurig, wie man mit den Leuten umging, die in Armut lebten... doch Shai konnte nichts anderes tun, als an seinem Grab zu stehen und ein Räucherstäbchen für ihn anzuzünden. Und wie ging es Toki? Während des Fluchtversuches hatten einige Nukenin ihn und seine kleine Schwester aufgeholt, den Mann bewusstlosgeschlagen und das Mädchen außer Gefecht setzen wollen, doch glücklicherweise kam schnell Verstärkung. Die Verletzungen, die Shai erlitt, sind schon lange Zeit am heilen und spüren tut sie davon auch nichts mehr... Toki aber hat es heftiger erwischt. Dank des Aufpralls fiel er ins Koma und liegt seit einem Monat unbeweglich in einem Bett des Krankenhauses. Jeden Tag hofft das Mädchen, dass er aufwachen würde und sie wenigstens noch einen hatte, den sie als 'Familie' bezeichnen konnte - doch ob das Schicksal mitspielte? Sollten sie ihr Toki doch auch noch nehmen, dann könnte man sie sehen, wie sie langsam zugrunde geht... ~ Selbst Yuto ist verschwunden. Weg. Nicht auffindbar. Verschollen. Der Junge hatte für kurze Zeit das Gefühl bekommen, wieder Familie zu haben und kann es nun nicht mehr genießen. Warum? WEIL ER WEG IST! Genauso....
"Genauso wie du...," schluckte das Mädchen und betrachtete ihre Handfläche. Wieso sie das tat, wusste sie auch nicht - es war einfach eine Geste, die sie einnahm, wenn sie an etwas wichtiges dachte. Doch an was dachte sie? Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen musste es etwas sein, was ziemlich wichtig für das Mädchen war und sie nach dieser Mission sehr beschäftigte. Er war nicht hier. Nicht hier bei ihr. Er war genauso weg wie alle anderen. Zumindest dachte sie das, denn Shai wusste - dank ihrer Verbarrikadierung innerhalb des Zimmers - nicht einmal, dass Iwari heil aus der Mission herausgekommen war. Auch Mizu befand sich nun wieder wohlauf in Konohagakure - doch das war alles nicht so sonderlich wichtig für sie, wenn ER nicht da war. Sie kannte ihn nicht lange, doch war dies lange genug, um zu wissen, dass er von nun an in ihrem Leben einen wichtigen Platz hatte. Auch jetzt, da Shai alleine ist, kann sie es nicht übers Herz bringen, ihn zu vergessen. Niemals würde sie ihn vergessen können... Niemals. Die Momente, die sie zusammen erlebt haben, waren immer noch in ihrem Kopf, gingen nicht weg und wiederholten sich Tag für Tag - auch in ihren Träumen. Von keinem anderen wurde sie in ihren Träumen heimgesucht, nur von IHM. Deswegen fiel es dem Mädchen auch so schwer, alles hinter sich zu lassen, das Leben neu anzufangen und wieder zu lachen - so, wie sie es früher getan hat. Es ging nicht. Aber sie wollte trotzdem nicht, dass diese schönen Erinnerungen für immer weg waren. Shai wollte sie aufbewahren, für immer. "Mhm...," murmelte sie in die Stille hinein und spielte mit den Fingern an ihrem Armkettchen herum, welches lässig an ihrem rechten Handgelenk baumelte.
"Ich war mir sicher, dass, solange du das Kettchen bei dir hast... wir uns irgendwann nochmal über den Weg laufen müssen... schließlich habe ich es dir nur geliehen." ~
Ein Flashback? Anzunehmen, denn nichts anderes kreiste zurzeit in ihren Gedanken und als ob das nicht schon alles gewesen wäre, wurde Shai der Flashback auch noch zuviel, sodass sie ohne nachzudenken, das blöde Kettchen einfach gewaltsam abriss und in die nächste Zimmerecke beförderte. Wenn sie könnte, wäre sie schon lange in Tränen ausgebrochen, doch der Schmerz war einfach zu tief - es schien, als habe sie verlernt, zu weinen. Wenn sie jetzt weinen könnte, wäre alles viel einfacher für sie, denn mit Weinen war es einem bekanntermaßen möglich, halbwegs wieder auf den rechten Weg zu kommen. Doch für Shai kam wohl alles zu spät. Wie oft hatte sie versucht, den rechten Weg wiederzufinden? Irgendwann war auch das stärkste Energiebündel zu müde dafür. "Ich hätte es nicht zurücknehmen dürfen..." Urplötzlich waren die Gedanken wieder bei ihrem Armkettchen, welches so seelenruhig und zerstört auf dem Parkettboden lag. Wenn er es noch hätte... wäre vielleicht alles anders gekommen? Er hätte sie aufsuchen können. Aber... vielleicht hatte er denselben Gedanken wie sie: Es hat keinen Sinn, nach jemandem zu suchen, von dem man nicht wusste, ob er noch lebte oder bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Wie wahr. Da Shai im Moment zu nichts anderem fähig war, als negativ zu denken, war Saishiro bereits tot. Für sie zumindest. Es gab keine andere Möglichkeit. Wieso sollte sie hoffen? Das Schicksal hatte sie zu oft verletzt, also würde es bestimmt nicht nachgeben und ihr einen Moment schenken, der sie wieder halbwegs ins Leben zurückholt... oder? "Tzk." Angespannt zog sie ihre Beine an sich heran, umschlang diese mit ihren Armen und starrte wieder an die kahle Zimmerwand, die früher mit so vielen Bilder von Familie und Freunde geschmückt war. Nachdem Shai zurück ins Heim gekommen ist, hat sich das Mädchen gleich daran gemacht, die Erinnerungen an ihren Wänden abzureißen und sie für immer zu entsorgen. Hätte sie jeden Tag die Bilder von Yuto & Co. vor ihren Augen, konnte man allmählich beobachten, wie sie Stück für Stück zugrunde ging... ~
"... wir könnten ja mal die Futons testen..."
Ein erneuter Flashback, der sich direkt in die Gedanken des Mädchens bohrte und sie kurz zum Lachen brachte. Es war kein freudiges Lachen. Eher ein Lachen der Trauer... ein grausam trauriges Lachen. Es war überhaupt nicht schon anzuhören, doch konnte Shai einfach nicht anders auf diesen Flashback reagieren. Das Mädchen hasste Flashbacks, denn sie kamen immer, wenn sie diese am wenigsten gebrauchen konnte. "Wir haben die Futons getestet. Zwar auf eine ganz andere Weise, aber wir haben es getan." Wieso redete sie? Vielleicht, um von der Trauer wegzukommen und so zu tun, als befände er sich bei ihr? Möglich, aber nicht bewiesen. Selbstgespräche waren nichts tolles, zumindest nicht für Shai, doch um sich abzulenken, verfiel sie oftmals in solche Konversationen, die eigentlich rein gar nichts bewirkten.
"Lass mich nicht alleine...."
"VERDAMMT!", brüllte das Mädchen gegen die Zimmerwand, denn der nächste Flashback folgte bereits. 'Lass mich nicht alleine..' - es kam von ihr und Shai wusste genau, in welchem Zusammenhang sie diesen Satz damals benutzt hatte. Shiro hatte ihn nicht gehört. Genau dieser Fakt war die Ursache, dass Shai sich Vorwürfe machte. Wieso? Ganz einfach: Hätte sie ihm das bei vollem Bewusstsein gesagt, wäre vielleicht all dies nicht... sie musste aufhören. Sie musste komplett aufhören, darüber nachzudenken, was sie hätte falsch gemacht haben könnte! Shai hatte keine Schuld. Alles, was sie sagte und was sie tat, war so gewesen, wie es hätte sein müssen - nicht anders! "SHAI!", schon wieder diese nervige Stimme aus den Gängen. Doch diesmal blieb es nicht nur bei dem Rufen, Ichinose-san kam direkt ins Zimmer reingeplatzt, bäumte sich vor Shai auf und blickte sie skeptisch von oben herab an. Das Mädchen saß da wie ein Häufchen Elend, den emotionslosen Blick starr auf das kaputte Kettchen gerichtet. "Das Kettchen deiner Mutter. Es ist kaputt. Wie ist das passiert?" Ichinose, die das Kettchen aufheben wollte und sich bereits mit dem Rücken zu Shai gewandt hatte, wurde von eben jener aufgehalten. Grob packte Shai die Frau am Handgelenk und öffnete den Mund: "Lassen Sie es liegen und verschwinden Sie aus meinem Zimmer..." Eigentlich hätte Ichinose nun gelacht, doch der Blick, den Shai der Frau schenkte, war alles andere als zum Lachen. "..." Sie konnte nichts dazu sagen, nur Shai geschockt anschauen und währenddessen aus dem Zimmer zu verschwinden. Kein Zweifel: Das Mädchen brauchte Ruhe. Viel Ruhe. Jemand wie Ichinose-san war jetzt überhaupt nicht zu gebrauchen und langsam verstand die Frau das auch. Shai war ihr dankbar, denn das Mädchen wollte nicht noch mehr Aggressionen an ihr auslassen - selbst die Aktion von vorhin tat dem blonden Mädchen sehr Leid. Trotzdem musste sie nun weg! Irgendwohin, wo sie für sich selbst sein konnte, sich von alles abschirmen und die Gedanken ordnen... - das Resultat ihrer neuen Gedankengänge, war, dass sie sich nun auf dem Weg zum Friedhof machen würde, auf dem ihr Bruder Hiyashi lag. Wie spät war es überhaupt? Ein Blick auf den tickenden Wecker verriet dem Mädchen, dass es bereits halb 9 war. Abends natürlich, denn sonst hätte Ichinose sie wohl kaum tausend Mal fürs Abendessen rufen müssen. Egal. Dem Mädchen war klar, dass es eventuell gefährlich sein würde, um diese Uhrzeit draußen herumzuspazieren, doch einen besseren Zeitpunkt als jetzt konnte sie für den Friedhofsbesuch nicht finden. Ohne langes Herumgetrödel, schnappte sich Shai einige Räucherstäbchen, schlüpfte in ihre Schuhe und zog sich ihren schwarzen Pullover an, um in der Abendkälte nicht unnötig zu frieren. Um niemandem auf den Gängen zu begegnen, entschied sich das Mädchen, den schnelleren Weg aus dem Fenster zu nehmen. Sie wollte von keinem gesehen werden und heimlich gehen, sodass niemand wusste, wo sie sich befand und keiner auf die dumme Idee kam, ihr hinterherzulaufen. Shai kannte Ichinose. Diese Frau dachte bei allem, was Shai machte, immer etwas negatives. ~ Darauf konnte das Mädchen eigentlich nur Seufzen, denn die Frau hatte einfach keine Ahnung, was in ihr vorging. Sollten sie Shai doch einfach machen lassen, es passierte sowieso nichts schlimmes...
Wie dem auch sei. Anhand eines gekonnten Sprunges, befand sich Shai auch schon auf der leergefegten Straße vor dem Waisenhaus und schlenderte ohne jegliche Eile ins Zentrum hinein. Es befanden sich nur vereinzelt Leute in den kleinen Bars oder Restaurants, um etwas trinken zu gehen oder ihr vergessenes Abendmahl dort nachzuholen. Shai störte das nicht, hauptsache, sie würden sie in Ruhe lassen. "Mhm." Die flackernden Lichter der Straßenlaternen nervten das Mädchen, da sie nicht anders konnte, als unwillkürlich hineinzuschauen. Allzu lange wird der Abendspaziergang in den Straßen ohnehin nicht mehr dauern, denn das Westtor Konoha's war schon in greifbarer Nähe. Obwohl sie den Friedhof noch nicht erreicht hatte, konnte sie im Schein des Mondes bereits vereinzelte Grabsteine erkennen - auch das ihres geliebten Bruders Hiyashi. Es sah mickrig aus, wenn nicht sogar peinlich. Anstatt Blumen befand sich nur Unkraut auf der frischen Erde und einige benutzte Räucherstäbchen, die Shai angezündet hatte, um für Hiyashi zu beten. Während sie so das Grab betrachtete, kam ihr in den Sinn, dass es bestimmt nicht verkehrt war, einige Blumen aus dem Blumenladen für ihn zu kaufen und diese aufs Grab zu legen. Shai konnte aber auch einges pflanzen, denn ihrer Meinung nach, hatte Hiyashi eindeutig mehr verdient, als Unkraut auf dem Grab. Ohne etwas von sich zu geben, kniete sich das Mädchen vor die frische Erde, strich einmal sanft über den eingravierten Namen ihres Bruders und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. "Hey...," begann sie sanft, obwohl er sie nicht hören konnte. Was sollte Shai großartig sagen? Eigentlich war es ja unüblich, dass Leute hier auf einem Friedhof plötzlich anfingen, zu den Toten zu sprechen... aus dem Grund schwieg das Mädchen auch schnell wieder. Trotzdem ertappte sich das Mädchen bei etwas, was sie noch nie zuvor gemacht hatte: Während sie vor Hiyashi's Grab kniete, erhob sie sich und fing an, die anderen Grabsteine zu betrachten und deren Namen leise zu lesen. Es dauerte eine Weile, bis sie mit allen Grabsteinen durch war. Doch was wollte sie damit bezwecken? "Er ist nicht hier," flüsterte das Mädchen in die Dunkelheit und ein kleiner weißer Schimmer bildete sich in der Luft. Es war kalt, ergo wunderte sie sich nicht, wieso man ihren Atem sehen konnte. "Gott sei Dank." Irgendwie löste sich gerade ein Stein von ihrem Herzen, denn ein Grab mit der Aufschrift 'Sakkaku Saishiro' existierte nicht. "Gott sei nicht Dank," fiel es ihr plötzlich ein. Shiro - auch wenn er tot war - würde niemals auf diesem mickrigen Friedhof liegen, dafür war seine Familie zu wohlhabend. Wahrscheinlich hatte sein Clan sogar einen eigenen Friedhof... ~ Wieder senkte sich Shai's Kopf, ehe sie zurück zu Hiyashi's Grab ging und dort ein kleines Räucherstäbchen anzündete, welches sofort anfing, ruhig vor sich hin zu glimmen. Es roch nach Orange. Natürlich, denn auf dem Päckchen stand ja auch 'Orange' drauf. Das Mädchen konnte selbst nicht glauben, dass sie anstatt den richtigen Räucherstäbchen, welche gekauft hatte, die nach Orange dufteten! Wie peinlich. Doch ausmachen wollte sie das Stäbchen nicht, denn das Glimmen beruhigte sie irgendwie. Die Situation gerade war einfach nur bedrückend, doch konnte Shai abschalten, den Stress vergessen und für ein paar Momente für sich sein... nur für sich....
Der Friedhof am Westtor ist ein Friedhof, der ziemlich weit abgeschieden von der Zivilisation liegt. Hier werden meist die Leute begraben oder bestattet, die aus ärmlichen Familien kommen und für ein luxuriöses Grab kein Geld besitzen. Da die Armutsrate nicht zu unterschätzen ist, häufen sich die Grabsteine hier, alles sieht irgendwie ein wenig spärrlich und ungepflegt aus, was dazu führt, dass ein jeder, der an dem Friedhof vorbeiläuft schnell das Gefühl der Trauer und des Mitleidens empfindet.
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"Shai! Komm runter zum Essen!", hallte die laute Stimme von Ichinose-san, der Leiterin des Waisenhauses, durch die Gänge, um das blonde Mädchen - welches schon seit Tagen deprimiert und traurig in ihrem Zimmer saß - von ihrer Trauer abzulenken. Sie musste etwas essen, damit sie zu Kräften kam, doch das Mädchen bewegte sich nicht von ihrem Bett weg, saß mit gesenktem Kopf auf der Bettkante und starrte geistesabwesend den kahlen Parkettboden an, in dem sich leicht ihr Gesicht spiegelte. Zugegeben, Shai sah nicht gerade gesund aus, denn die Mission, die sie vor ca. einem Monat 'bewältigt' hatte, setzte dem Mädchen noch mehr zu, als überhaupt gedacht. Vor einem Monat hatte sich die Iwamoto noch gewünscht, diese Mission anzutreten, doch hätte sie gewusst, wie sie endete, hätte sie alles versucht, um ihre Freunde zu überreden, eine andere Mission zu nehmen. Es war einfach nur schrecklich. Was genau passiert war, wusste das Mädchen nicht, denn zu dem Zeitpunkt der Explosion befand sie sich alleine im Schlafraum und kämpfte mit ihrem hohen Fieber. Shiro, der eigentlich bei ihr war, stürmte zur Quelle der Explosion und kam nie wieder zurück... Keinen, aber auch wirklich keinen aus den zwei Teams hatte das Mädchen an der Unfallstelle wiedergesehen. Sie waren alle fort. Weit weg von ihr und würden wahrscheinlich nie wieder kommen. Ob sie tot waren oder nicht, wusste Shai nicht, doch brachte das Hoffen auf eventuelle Wiederkehr der Teammitglieder auch nicht viel... Um ehrlich zu sein, wusste das Mädchen nicht einmal, was sie überhaupt noch glauben sollte und ob sie jemals in der Lage werden würde, klar zu denken. Wie oft wollte man ihr die wichtigsten Personen noch wegnehmen? Wie oft wollte das Schicksal sie denn noch leiden sehen? War es nicht genug, wie sie sich gefühlt hatte.. musste man denn noch etwas draufsetzen? "WIE OFT NOCH?!", beendete Shai laut ihre gedanklichen Fragen und starrte zornig ihr leicht gespiegeltes Bild im Boden an. Ihre Augen hatten sich geweitet und wenn man genauer hinschaute, bemerkte man, die roten Äderchen in ihren Augäpfeln, die anhand von Schlafmangel nun deutlich sichtbar waren. "SHAI! Hast du mich gehört?!", ertönte wiederholt die Stimme Ichinose-san's auf dem Gang, doch Shai stand nur zornig auf, öffnete ihre Zimmertür und brüllte genauso laut zurück: "LASS MICH IN RUHE! ICH HABE KEINEN HUNGER!" Dass die alte Frau des Waisenhauses nichts dafür konnte, wusste Shai selbst, doch wenn man dem Mädchen keine Ruhe ließ, bekam der Nächstbeste eben ihre ganzen Aggressionen auf einmal ab. Wieso verstanden diese nervigen Leute nicht, dass Shai einfach Ruhe brauchte? ~ Es war nicht zum aushalten. Warum hatte die Hokage beschlossen, das Mädchen wieder ins Heim zu schicken? Nur, weil Hiyashi tot war und Toki bewusstlos im Krankenhaus lag? Ja, Hiyashi war tot, das war keine Lüge. Da die Hokage von Mizu bzw. Saya keine Missionsberichte geschickt bekommen hatte, sandt sie einige Truppen aus, um den zwei Teams Unterstützung zu bieten - darunter auch Hiyashi und Toki, da sie in Sorge nichts machen konnten, außer sich dem Hilfstrupp anzuschließen. Es ging alles viel zu schnell, sodass Shai noch heute keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie weiß nur noch, wie es zu einer Explosion kam, das Haus über sie zusammenfiel, sie herausgeholt wurde und man kämpfte... Irgendjemand kämpfte und fiel dann zu Boden. Es roch nach frischem Blut und wenn sich das Mädchen nicht irrte, hatte sie sogar gespürt, wie es langsam unter ihre Fingerkuppen eine Lache bildete. Sie selbst wurde nicht getroffen, aber ein Mensch, der ihr im Leben sehr wichtig war, obwohl sie lange Zeit nichts mit ihm zu tun hatte: Iwamoto Hiyashi. Er warf sich vor Toki und Shai, damit die beiden fliehen konnten und starb bei dem Kampf gegen einen Kiri-Nuke. Seine Leiche wurde zwei Tage später gefunden und auf dem Friedhof beim Westtor begraben. Eine Beerdigung fand nicht statt, dafür fehlte das nötige Geld. Es war traurig, wie man mit den Leuten umging, die in Armut lebten... doch Shai konnte nichts anderes tun, als an seinem Grab zu stehen und ein Räucherstäbchen für ihn anzuzünden. Und wie ging es Toki? Während des Fluchtversuches hatten einige Nukenin ihn und seine kleine Schwester aufgeholt, den Mann bewusstlosgeschlagen und das Mädchen außer Gefecht setzen wollen, doch glücklicherweise kam schnell Verstärkung. Die Verletzungen, die Shai erlitt, sind schon lange Zeit am heilen und spüren tut sie davon auch nichts mehr... Toki aber hat es heftiger erwischt. Dank des Aufpralls fiel er ins Koma und liegt seit einem Monat unbeweglich in einem Bett des Krankenhauses. Jeden Tag hofft das Mädchen, dass er aufwachen würde und sie wenigstens noch einen hatte, den sie als 'Familie' bezeichnen konnte - doch ob das Schicksal mitspielte? Sollten sie ihr Toki doch auch noch nehmen, dann könnte man sie sehen, wie sie langsam zugrunde geht... ~ Selbst Yuto ist verschwunden. Weg. Nicht auffindbar. Verschollen. Der Junge hatte für kurze Zeit das Gefühl bekommen, wieder Familie zu haben und kann es nun nicht mehr genießen. Warum? WEIL ER WEG IST! Genauso....
"Genauso wie du...," schluckte das Mädchen und betrachtete ihre Handfläche. Wieso sie das tat, wusste sie auch nicht - es war einfach eine Geste, die sie einnahm, wenn sie an etwas wichtiges dachte. Doch an was dachte sie? Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen musste es etwas sein, was ziemlich wichtig für das Mädchen war und sie nach dieser Mission sehr beschäftigte. Er war nicht hier. Nicht hier bei ihr. Er war genauso weg wie alle anderen. Zumindest dachte sie das, denn Shai wusste - dank ihrer Verbarrikadierung innerhalb des Zimmers - nicht einmal, dass Iwari heil aus der Mission herausgekommen war. Auch Mizu befand sich nun wieder wohlauf in Konohagakure - doch das war alles nicht so sonderlich wichtig für sie, wenn ER nicht da war. Sie kannte ihn nicht lange, doch war dies lange genug, um zu wissen, dass er von nun an in ihrem Leben einen wichtigen Platz hatte. Auch jetzt, da Shai alleine ist, kann sie es nicht übers Herz bringen, ihn zu vergessen. Niemals würde sie ihn vergessen können... Niemals. Die Momente, die sie zusammen erlebt haben, waren immer noch in ihrem Kopf, gingen nicht weg und wiederholten sich Tag für Tag - auch in ihren Träumen. Von keinem anderen wurde sie in ihren Träumen heimgesucht, nur von IHM. Deswegen fiel es dem Mädchen auch so schwer, alles hinter sich zu lassen, das Leben neu anzufangen und wieder zu lachen - so, wie sie es früher getan hat. Es ging nicht. Aber sie wollte trotzdem nicht, dass diese schönen Erinnerungen für immer weg waren. Shai wollte sie aufbewahren, für immer. "Mhm...," murmelte sie in die Stille hinein und spielte mit den Fingern an ihrem Armkettchen herum, welches lässig an ihrem rechten Handgelenk baumelte.
"Ich war mir sicher, dass, solange du das Kettchen bei dir hast... wir uns irgendwann nochmal über den Weg laufen müssen... schließlich habe ich es dir nur geliehen." ~
Ein Flashback? Anzunehmen, denn nichts anderes kreiste zurzeit in ihren Gedanken und als ob das nicht schon alles gewesen wäre, wurde Shai der Flashback auch noch zuviel, sodass sie ohne nachzudenken, das blöde Kettchen einfach gewaltsam abriss und in die nächste Zimmerecke beförderte. Wenn sie könnte, wäre sie schon lange in Tränen ausgebrochen, doch der Schmerz war einfach zu tief - es schien, als habe sie verlernt, zu weinen. Wenn sie jetzt weinen könnte, wäre alles viel einfacher für sie, denn mit Weinen war es einem bekanntermaßen möglich, halbwegs wieder auf den rechten Weg zu kommen. Doch für Shai kam wohl alles zu spät. Wie oft hatte sie versucht, den rechten Weg wiederzufinden? Irgendwann war auch das stärkste Energiebündel zu müde dafür. "Ich hätte es nicht zurücknehmen dürfen..." Urplötzlich waren die Gedanken wieder bei ihrem Armkettchen, welches so seelenruhig und zerstört auf dem Parkettboden lag. Wenn er es noch hätte... wäre vielleicht alles anders gekommen? Er hätte sie aufsuchen können. Aber... vielleicht hatte er denselben Gedanken wie sie: Es hat keinen Sinn, nach jemandem zu suchen, von dem man nicht wusste, ob er noch lebte oder bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Wie wahr. Da Shai im Moment zu nichts anderem fähig war, als negativ zu denken, war Saishiro bereits tot. Für sie zumindest. Es gab keine andere Möglichkeit. Wieso sollte sie hoffen? Das Schicksal hatte sie zu oft verletzt, also würde es bestimmt nicht nachgeben und ihr einen Moment schenken, der sie wieder halbwegs ins Leben zurückholt... oder? "Tzk." Angespannt zog sie ihre Beine an sich heran, umschlang diese mit ihren Armen und starrte wieder an die kahle Zimmerwand, die früher mit so vielen Bilder von Familie und Freunde geschmückt war. Nachdem Shai zurück ins Heim gekommen ist, hat sich das Mädchen gleich daran gemacht, die Erinnerungen an ihren Wänden abzureißen und sie für immer zu entsorgen. Hätte sie jeden Tag die Bilder von Yuto & Co. vor ihren Augen, konnte man allmählich beobachten, wie sie Stück für Stück zugrunde ging... ~
"... wir könnten ja mal die Futons testen..."
Ein erneuter Flashback, der sich direkt in die Gedanken des Mädchens bohrte und sie kurz zum Lachen brachte. Es war kein freudiges Lachen. Eher ein Lachen der Trauer... ein grausam trauriges Lachen. Es war überhaupt nicht schon anzuhören, doch konnte Shai einfach nicht anders auf diesen Flashback reagieren. Das Mädchen hasste Flashbacks, denn sie kamen immer, wenn sie diese am wenigsten gebrauchen konnte. "Wir haben die Futons getestet. Zwar auf eine ganz andere Weise, aber wir haben es getan." Wieso redete sie? Vielleicht, um von der Trauer wegzukommen und so zu tun, als befände er sich bei ihr? Möglich, aber nicht bewiesen. Selbstgespräche waren nichts tolles, zumindest nicht für Shai, doch um sich abzulenken, verfiel sie oftmals in solche Konversationen, die eigentlich rein gar nichts bewirkten.
"Lass mich nicht alleine...."
"VERDAMMT!", brüllte das Mädchen gegen die Zimmerwand, denn der nächste Flashback folgte bereits. 'Lass mich nicht alleine..' - es kam von ihr und Shai wusste genau, in welchem Zusammenhang sie diesen Satz damals benutzt hatte. Shiro hatte ihn nicht gehört. Genau dieser Fakt war die Ursache, dass Shai sich Vorwürfe machte. Wieso? Ganz einfach: Hätte sie ihm das bei vollem Bewusstsein gesagt, wäre vielleicht all dies nicht... sie musste aufhören. Sie musste komplett aufhören, darüber nachzudenken, was sie hätte falsch gemacht haben könnte! Shai hatte keine Schuld. Alles, was sie sagte und was sie tat, war so gewesen, wie es hätte sein müssen - nicht anders! "SHAI!", schon wieder diese nervige Stimme aus den Gängen. Doch diesmal blieb es nicht nur bei dem Rufen, Ichinose-san kam direkt ins Zimmer reingeplatzt, bäumte sich vor Shai auf und blickte sie skeptisch von oben herab an. Das Mädchen saß da wie ein Häufchen Elend, den emotionslosen Blick starr auf das kaputte Kettchen gerichtet. "Das Kettchen deiner Mutter. Es ist kaputt. Wie ist das passiert?" Ichinose, die das Kettchen aufheben wollte und sich bereits mit dem Rücken zu Shai gewandt hatte, wurde von eben jener aufgehalten. Grob packte Shai die Frau am Handgelenk und öffnete den Mund: "Lassen Sie es liegen und verschwinden Sie aus meinem Zimmer..." Eigentlich hätte Ichinose nun gelacht, doch der Blick, den Shai der Frau schenkte, war alles andere als zum Lachen. "..." Sie konnte nichts dazu sagen, nur Shai geschockt anschauen und währenddessen aus dem Zimmer zu verschwinden. Kein Zweifel: Das Mädchen brauchte Ruhe. Viel Ruhe. Jemand wie Ichinose-san war jetzt überhaupt nicht zu gebrauchen und langsam verstand die Frau das auch. Shai war ihr dankbar, denn das Mädchen wollte nicht noch mehr Aggressionen an ihr auslassen - selbst die Aktion von vorhin tat dem blonden Mädchen sehr Leid. Trotzdem musste sie nun weg! Irgendwohin, wo sie für sich selbst sein konnte, sich von alles abschirmen und die Gedanken ordnen... - das Resultat ihrer neuen Gedankengänge, war, dass sie sich nun auf dem Weg zum Friedhof machen würde, auf dem ihr Bruder Hiyashi lag. Wie spät war es überhaupt? Ein Blick auf den tickenden Wecker verriet dem Mädchen, dass es bereits halb 9 war. Abends natürlich, denn sonst hätte Ichinose sie wohl kaum tausend Mal fürs Abendessen rufen müssen. Egal. Dem Mädchen war klar, dass es eventuell gefährlich sein würde, um diese Uhrzeit draußen herumzuspazieren, doch einen besseren Zeitpunkt als jetzt konnte sie für den Friedhofsbesuch nicht finden. Ohne langes Herumgetrödel, schnappte sich Shai einige Räucherstäbchen, schlüpfte in ihre Schuhe und zog sich ihren schwarzen Pullover an, um in der Abendkälte nicht unnötig zu frieren. Um niemandem auf den Gängen zu begegnen, entschied sich das Mädchen, den schnelleren Weg aus dem Fenster zu nehmen. Sie wollte von keinem gesehen werden und heimlich gehen, sodass niemand wusste, wo sie sich befand und keiner auf die dumme Idee kam, ihr hinterherzulaufen. Shai kannte Ichinose. Diese Frau dachte bei allem, was Shai machte, immer etwas negatives. ~ Darauf konnte das Mädchen eigentlich nur Seufzen, denn die Frau hatte einfach keine Ahnung, was in ihr vorging. Sollten sie Shai doch einfach machen lassen, es passierte sowieso nichts schlimmes...
Wie dem auch sei. Anhand eines gekonnten Sprunges, befand sich Shai auch schon auf der leergefegten Straße vor dem Waisenhaus und schlenderte ohne jegliche Eile ins Zentrum hinein. Es befanden sich nur vereinzelt Leute in den kleinen Bars oder Restaurants, um etwas trinken zu gehen oder ihr vergessenes Abendmahl dort nachzuholen. Shai störte das nicht, hauptsache, sie würden sie in Ruhe lassen. "Mhm." Die flackernden Lichter der Straßenlaternen nervten das Mädchen, da sie nicht anders konnte, als unwillkürlich hineinzuschauen. Allzu lange wird der Abendspaziergang in den Straßen ohnehin nicht mehr dauern, denn das Westtor Konoha's war schon in greifbarer Nähe. Obwohl sie den Friedhof noch nicht erreicht hatte, konnte sie im Schein des Mondes bereits vereinzelte Grabsteine erkennen - auch das ihres geliebten Bruders Hiyashi. Es sah mickrig aus, wenn nicht sogar peinlich. Anstatt Blumen befand sich nur Unkraut auf der frischen Erde und einige benutzte Räucherstäbchen, die Shai angezündet hatte, um für Hiyashi zu beten. Während sie so das Grab betrachtete, kam ihr in den Sinn, dass es bestimmt nicht verkehrt war, einige Blumen aus dem Blumenladen für ihn zu kaufen und diese aufs Grab zu legen. Shai konnte aber auch einges pflanzen, denn ihrer Meinung nach, hatte Hiyashi eindeutig mehr verdient, als Unkraut auf dem Grab. Ohne etwas von sich zu geben, kniete sich das Mädchen vor die frische Erde, strich einmal sanft über den eingravierten Namen ihres Bruders und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. "Hey...," begann sie sanft, obwohl er sie nicht hören konnte. Was sollte Shai großartig sagen? Eigentlich war es ja unüblich, dass Leute hier auf einem Friedhof plötzlich anfingen, zu den Toten zu sprechen... aus dem Grund schwieg das Mädchen auch schnell wieder. Trotzdem ertappte sich das Mädchen bei etwas, was sie noch nie zuvor gemacht hatte: Während sie vor Hiyashi's Grab kniete, erhob sie sich und fing an, die anderen Grabsteine zu betrachten und deren Namen leise zu lesen. Es dauerte eine Weile, bis sie mit allen Grabsteinen durch war. Doch was wollte sie damit bezwecken? "Er ist nicht hier," flüsterte das Mädchen in die Dunkelheit und ein kleiner weißer Schimmer bildete sich in der Luft. Es war kalt, ergo wunderte sie sich nicht, wieso man ihren Atem sehen konnte. "Gott sei Dank." Irgendwie löste sich gerade ein Stein von ihrem Herzen, denn ein Grab mit der Aufschrift 'Sakkaku Saishiro' existierte nicht. "Gott sei nicht Dank," fiel es ihr plötzlich ein. Shiro - auch wenn er tot war - würde niemals auf diesem mickrigen Friedhof liegen, dafür war seine Familie zu wohlhabend. Wahrscheinlich hatte sein Clan sogar einen eigenen Friedhof... ~ Wieder senkte sich Shai's Kopf, ehe sie zurück zu Hiyashi's Grab ging und dort ein kleines Räucherstäbchen anzündete, welches sofort anfing, ruhig vor sich hin zu glimmen. Es roch nach Orange. Natürlich, denn auf dem Päckchen stand ja auch 'Orange' drauf. Das Mädchen konnte selbst nicht glauben, dass sie anstatt den richtigen Räucherstäbchen, welche gekauft hatte, die nach Orange dufteten! Wie peinlich. Doch ausmachen wollte sie das Stäbchen nicht, denn das Glimmen beruhigte sie irgendwie. Die Situation gerade war einfach nur bedrückend, doch konnte Shai abschalten, den Stress vergessen und für ein paar Momente für sich sein... nur für sich....