Isuzu Himeko
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Der Kelch, in den riesigen Wolkenklot- kratzer einzuziehen, war seinerzeit glücklicherweise an ihnen vorbeigegangen, nachdem das Familienoberhaupt der Familie Isuzu, namentlich Shingo, an der einen oder anderen Strippe gezupft hatte, um nicht nur eine vergleichsweise gemütliche Reihenhauswohnung zu ergattern, sondern auch noch eine der wenigen heiß begehrten „Familienwohnungen“ mit denen Sora versuchte, das Landvolk anzulocken – im Klartext, es waren eigentlich zwei Wohnungen übereinander, die man bloß mit einer Treppe verbunden hatte und bei der eine der Wohnungstüren zugemauert worden waren. Was übrig blieb, war eine Haushälfte in einem Gebäude, in dem jetzt drei Parteien Platz fanden. In der Draufsicht unterschied sich das Haus nicht sehr von allen anderen in diesem viertel, wenn man den Wolkenkratzer, der diese Plattform dominierte, mal ganz großzügig ignorierte: Groß, grau, quadratisch und leicht zu reinigen; was wollte man mehr? An der Vorderseite der Isuzu-Haushälfte grinsten einen auf beiden verfügbaren Etagen jeweils zwei relativ große Fenster plus winziger Badezimmerluke an, obwohl das Bad im Obergeschoss einer Raumvergrößerung weichen musste und das Fenster folglich nur noch zur Zierde dort prangte – oder weil die Handwerker zu faul gewesen sind, das auch noch weg zu machen... wer weis das schon...? Ein Vorgarten war praktisch nicht vorhanden wenn man den Fingerbreiten Grünstreifen zwischen Haus und Gehweg nicht als solchen betrachtete und die – dank zweier schwerer Steinstufen etwas erhöhte – Haustür von einem kleinen Türspion abgesehen schmucklos; innen jedoch lagen die Dinge anders und das merkte jeder, der nicht mit Blindenbinde durch die Weltgeschichte stolzierte:
Der zwei mal drei Schritte große Eingangsraum war gemütlich eingerichtet und vorbildlich arrangiert mit einem mehrstöckigen Schuhhängeregal auf der linken und einem schweren, fest an der Wand angebrachten Kleiderständer auf der rechten Seite, sowie einer recht beeindruckenden Varietät aus Hausschläppchen in Einheitsgröße für alle, die weiter hinein gehen wollten. Wenn man nur seine Notdurft verrichten musste, hatte man es nicht sehr weit – nämlich ganze ein ein halb Schritte den Flur entlang auf der linken Seite. Der Toilettenraum diente gleichzeitig als auch Bad sowie als Waschraum für die Familie, weshalb er trotz seiner verhältnismäßigen Größe von knappen fünfzehn Quadratmetern hauptsächlich zugestellt wirkte; Miyus unzählige Beautyprodukte der Marke „Ich-zieh-dir-die-Ryo-aus-der-Tasche-damit-du-dich-schön-fühlst“, die sich in einem heillosen durcheinander auf der Waschmaschine ausbreiteten, taten ihr Übriges dazu, dieses Zimmer als nicht vorzeigbar zu betrachten – normalerweise zeigte sich hier Himekos ordnungsliebe, aber an diesem speziellen Ort hatte sie dem Dickkopf ihrer Schwester mit der Zeit nachgegeben... so konnte auch das sympathische Minzgrün der Wände, wie auch die verhältnismäßig große Badewanne nichts mehr daran ändern, dass Himeko diesen Raum gerne mal ausließ, wenn sie ausnahmsweise mal jemanden herumzeigen musste.
Ein paar Schritte versetzt gegenüber fand sich der Türlose Durchgang zur Küche, der nur von einem leichten, fliedernen Vorhang verdeckt wurde und dafür sorgte, dass die hochmoderne Küchenausstattung maßlos unterschätzt wurde, denn hinter der billigen Abdeckung fand sich eine hell eingerichtete Kochgelegenheit mit verschiedensten Ablagemöglichkeiten, Hängeschränken und Küchengeräten: Allesamt in hellem Grau gehalten und sauber genug, dass man jederzeit on jedem erdenklichen Ort in diesem Zimmer hätte essen können, ohne sich auch nur den kleinsten Gedanken um Infektionen oder Ähnlichem machen zu müssen – auch hinter den Schränken und Kommoden, falls der Platz mal wirklich knapp wurde. Das hier war Himes Reich, hier tobte sie sich den halben Tag lang aus, wenn sie nicht gerade auf Mission ging – hier entstanden alle möglichen Köstlichkeiten von einer einfach Tasse Kaffee, bis hin zur aufwendigen, mehrschichtigen Sahnetorte, was man dem Dunstabzug leider auch ansehen konnte... also nicht die Sahnetorten, sondern all die Dinge, die auf dem Herd, statt in dem recht geräumigen Ofen fabriziert wurden... Wenn man die Küche betrat, konnte man auf der linken Seite, in ein paar Schritten Entfernung durch einen breiten Durchgang treten, der zum Esszimmer führte, das außer dem obligatorischen, mit einer weißen Tischdecke ausgestatteten Holzgestell mitsamt den dazugehörigen Stühlen noch über ein Fenster, in dem man den ganz und gar nicht grünen „Hinterhof“ der Plattform zwei betrachten konnte, weshalb es mit einem verhältnismäßig blickdichten, roten Vorhang verdeckt wurde. Dieser Raum war ernsthaft absolut nichts besonderes, wenn man ihn nicht jahrelang als Lern- und Verzweiflungszimmer für die Hausaufgaben hatte nutzen müssen und über die entsprechenden Erinnerungen verfügte. Das Esszimmer war der Ort, an dem Shingo seinen Töchtern verzweifelt versucht hatte, Go beizubringen und gelegentlich ihre Hausaufgaben der Akademie kontrolliert hatte. Außerdem befand sich, wenn man durch die Tür ging, die direkt wieder zurück auf den Flur führte, direkt gegenüber ein kleines Kämmerchen, in dem die Reinigungsutensilien aufbewahrt wurden, zusammen mit einem kleinen Luk, das in den winzigen Heizkeller des Hauses führte. Die Decke des Abstellraums war zum Bad hin abgeschrägt; ein Hinweis auf die darüber liegende Treppe, die zu dem Wohn- und Schlafbereich der Familie führte: Von der Raumanordnung her unterschied sich diese Etage relativ drastisch vom Erdgeschoss, hier würde erst offensichtlich, dass es im Zuge des Projekts “Familienwohnungen“ doch einiges an Umbauanstrengungen gegeben hatte:
Wenn man der Treppe, die ihres Winkels wegen grundsätzlich immer im Dunkeln lag, erstreckte sich vor einem ein Flur, der die Hälfte der Länge desjenen hatte, der sich durch das Erdgeschoss schlängelte und von dem ganze drei Türen abgingen, bevor er schließlich an einem kleinen Fensterchen mit etwas hüft hohem Grünzeug davor endete. Von der Treppe aus gesehen, führten die beiden Türen linksseits zum Zimmer der beiden Schwestern, wie zum Schlafzimmer der beiden Produzenten, während der Raum, den man durch die Tür auf der rechten Seite erreichen konnte, als Wohnzimmer diente; mit schwerem Wohnzimmerschrank, Sofaecke, Kotatsu, und was nicht noch alles dazu gehört. Hier spielte sich der Hauptteil des Familienlebens der Isuzus ab hier wurde gelacht und geweint, gestritten und sich vertragen, einfach alles, was so eine Familie so zusammenhält, fand hier statt; Außer dem Mittags- und Abendessen, das strikt unten im Esszimmer eingenommen wurde. Der Wohnraum wird durch die gewaltige, mindestens acht Tonnen schwere Schrankwand an der Rückseite des Zimmer dominiert, die dem ganzen Raum etwas beengtes verleiht. Daran kann auch das niedrige Kotatsu nichts ändern, an dem sich meistens Shingo und Minko herumtreiben, Tageseinnahmen zählen, Kreuzworträtselheftchen lösen, oder dergleichen. Miyu war das Ganze eigentlich nichts, aber sie tat sich diese Langeweile gelegentlich aus bloßer Solidarität an, obwohl sie eigentlich viel lieber draußen wäre, um irgendwelche Dinge mit ihren Freunden zu unternehmen. Dass Himeko zusätzlich noch lieber ihre Zeit in der Küche verbrachte, machte diesen Raum fast ausschließlich zur Elterndomäne, wenn Shingo seine beiden Kinder nicht jedes Wochenende aufs Neue zu seinen spontanen Go-Abenden in eben jenem Zimmer schleifen würde.
Das Schlafzimmer der beiden älteren Hausbewohner war genau so langweilig, wie geheimnisvoll und bedarf keiner weiteren Erwähnung: Bett, Kleiderschrank, Kommoden und Nachttischlämpchen, sei es, wie es sei; das wichtigste kommt schließlich noch: Das Mädchenzimmer der beiden Töchter des Hauses! Die Tür, die in dieses Zimmer hinein führte, war genau so schmucklos, wie alle anderen Türen in dieser Wohnung auch; eine Langeweile, von der beim Öffnen nicht mehr viel übrig bleiben dürfte, denn einmal drinnen, eröffnete sich einem ein geradezu grotesker Anblick: Der Eher längliche Raum war verhältnismäßig groß und seine Inneneinrichtung gleich zwei mal in gespiegelter Ausführung vorhanden. Hinter der recht geräumigen, „freien“ Fläche im Eingangsbereich befand sich am nahesten bei der Tür auf jeder Seite des eher länglichen Zimmers ein kleiner Drehstuhl in Holzoptik, der aber eigentlich aus irgendwas ganz anderem gemacht war und an einem nicht sehr großen, aber überraschend geräumigen Schreibtisch stand, auf dem auf Himekos linker Zimmerseite ein Häuflein Schriftrollen fein säuberlich und nach Themenbereich geordnet herumlag, während sich auf Miyus Schreibtisch lediglich ein uralter Schreibblock fand, der seine besten Tage ganz eindeutig schon eine ganze Weile hinter sich hatte, nebst einer ganzen Sammlung, unangespitzter Bleistifte. Hinter den beiden Tischen, an denen die beiden Schwestern unzählige Stunden des Lernens verbracht hatten, stand jeweils en Bett mit rosafarbenem Bettbezug und ganz eindeutig liebevollst gefaltet, wobei rechtsseitig deutlich sichtbar eine Zerstörungswut eingesetzt hatte, die die mühevoll aufgerichtete Ordnung schändlich ignorierte. Kurzum, Miyus Hälfte war ein Chaos, während Himekos Zimmerseite derart sauber war, das sie beinahe durchsichtig wurde. Bildlich gesprochen, konnte man sich in diesem Zimmer einen fließenden Verlauf der Unordnung vorstellen, der je nach Zimmerseite eindeutig markierte, wessen Revier man da gerade betrat. Einziger größerer Unterschied zwischen den Domizilen der beiden Schwestern? Jungsposter an den Zimmerwänden auf Miyus Seite!!! Wenn man sich die Zeit nahm, hätte man eventuell noch ein wenig Glück, einen Fetzen von der Tapete darunter ausfindig zu machen, der noch unbedeckt war, aber man musste Glück und Zeit – oder etwas von beidem in antiproportionalem Verhältnis – mitbringen, wenn man auf Erfolg hoffen wollte. An Hime-chans Wänden hingen bestenfalls drei Zettelchen mit Kleinkinderkrakeleien, auf die sie inzwischen nicht mehr so wirklich stolz war...
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Himeko war von stetig wachsender Nervosität geplagt, den ganzen Weg über hatte Yumi kein Wort darüber verloren, dass Himeko es vorgezogen hatte, draußen zu warten. Stattdessen hatten sie sich über alle möglichen dinge unterhalten, wie man es eben so tat, wenn man miteinander unterwegs war. Die ganze Zeit über fragte sich die Brünette, wie Yumi es wohl wirklich aufgenommen hatte, dass ihr die Gedanken einen Augenblick entgleist waren, und ob sie jetzt vielleicht nur noch aus Höflichkeit mitkam, um sich nicht die Blöße eines Meinungswechsels geben zu müssen, oder so was. Um ein haar hätte sie vor lauter Nachdenken sogar die Haustür verpasst, an der sie eigentlich hätten anhalten müssen, sodass sie ein wenig abrupt abbremste, um die Kurve noch zu kriegen: »Ähm... Hier ist... also, äh, i-ich wohne hier, Yumi-chan...« verwies sie mit einer langsamen Geste und einem peinlich berührten Lächeln auf die schmucklose Tür: »E-es ist nichts besonderes, aber ich hoffe, d-das ist in Ordnung...?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das Mädchen mit dem sie ihre erste Aufgabe verbracht hatte, jetzt urplötzlich in Hohngelächter verfiel, aber man konnte ja nicht wissen. So seufzte sie leise vor sich hin, während sie den Hausschlüssel aus ihrer Tasche klamüserte, ihn langsam drehte und die Tür, die daran hing mit einem leisen klicken öffnete: »I-ich bin Zuhau-« »NEE-CHAN!!« Himeko zuckte zusammen. Selbst, als sich Miyus Arme schraubstockartig um die Hüften Himekos wickelten und die nur wenige Zentimeter kleinere ihr Gesicht an Himekos Brust versenkte, brauchte sie noch eine gute Sekunde, um sich aus ihrer Starre zu lösen – das war unvorhergesehen, aber keinesfalls unvorhersehbar, denn es sah Miyu einfach ähnlich! Viel interessanter war da folgender Gedankengang: Wenn Yumi schon gelegentlich Probleme hatte, Hime-chan nicht zu mustern, wie schwer würde es wohl jetzt werden, wo sie gleich zwei solcher Geräte um sich herum hatte? Gut, Miyu hatte kürzeres Haar und weit mehr Kleider am Leibe, aber trotzdem! »Willkommen Zuhause, Neechan!« Murmelte sie, obwohl Himeko noch nichtmal einen halben Schritt in die Wohnung hinein hatte tun können: »Ähm, danke, Neesan, könnten wir, ähm... reingehen?« Dass sie mit „Wir“ nicht Miyu und sich selber, sondern Yumi meinte, ging aus der Situation vorerst nicht hervor; auch Neesan schien das vorerst nicht zu bemerken, bis sie sich im Eingangsbereich mit den Schläppchen befanden: »Uo! Du hast ja wen mitgebracht!« Miyus Blick rastete auf dem Gast ein, während sich in ihrem Gesicht ein breites Lächen ausbreitete: »Mein Name ist Isuzu Miyu! Neechan hat bestimmt schon eine ganze Menge über mich erzählt, oder? Freut mich! Ich sag gerade Tohsan bescheid Hime~!« Tohsan... eine Variable, die sie nicht einkalkuliert hatte. Nicht, dass er peinlich oder so wäre, obwohl er das in bisschen war. Aber es war nicht er selber, der ihr gerade Unbehagen verursachte, sondern seine Angewohnheit, einem Gast jedes einzelne Familienmitglied in Waltons-Manier vorzustellen. Himeko quittierte – mangels Alternativen – mit einem Nicken und beugte sich ausladend vor, um ihre pfuschneuen Ninjatreter auszuziehen. Dass Yumi direkt hinter ihr stand und einen ausgezeichneten Blick auf ihr wertes Hinterteil abbekam? Das bemerkte sie absolut nicht. Es galt die Traditionelle Familienbegrüßung irgendwie zu überstehen.
Der zwei mal drei Schritte große Eingangsraum war gemütlich eingerichtet und vorbildlich arrangiert mit einem mehrstöckigen Schuhhängeregal auf der linken und einem schweren, fest an der Wand angebrachten Kleiderständer auf der rechten Seite, sowie einer recht beeindruckenden Varietät aus Hausschläppchen in Einheitsgröße für alle, die weiter hinein gehen wollten. Wenn man nur seine Notdurft verrichten musste, hatte man es nicht sehr weit – nämlich ganze ein ein halb Schritte den Flur entlang auf der linken Seite. Der Toilettenraum diente gleichzeitig als auch Bad sowie als Waschraum für die Familie, weshalb er trotz seiner verhältnismäßigen Größe von knappen fünfzehn Quadratmetern hauptsächlich zugestellt wirkte; Miyus unzählige Beautyprodukte der Marke „Ich-zieh-dir-die-Ryo-aus-der-Tasche-damit-du-dich-schön-fühlst“, die sich in einem heillosen durcheinander auf der Waschmaschine ausbreiteten, taten ihr Übriges dazu, dieses Zimmer als nicht vorzeigbar zu betrachten – normalerweise zeigte sich hier Himekos ordnungsliebe, aber an diesem speziellen Ort hatte sie dem Dickkopf ihrer Schwester mit der Zeit nachgegeben... so konnte auch das sympathische Minzgrün der Wände, wie auch die verhältnismäßig große Badewanne nichts mehr daran ändern, dass Himeko diesen Raum gerne mal ausließ, wenn sie ausnahmsweise mal jemanden herumzeigen musste.
Ein paar Schritte versetzt gegenüber fand sich der Türlose Durchgang zur Küche, der nur von einem leichten, fliedernen Vorhang verdeckt wurde und dafür sorgte, dass die hochmoderne Küchenausstattung maßlos unterschätzt wurde, denn hinter der billigen Abdeckung fand sich eine hell eingerichtete Kochgelegenheit mit verschiedensten Ablagemöglichkeiten, Hängeschränken und Küchengeräten: Allesamt in hellem Grau gehalten und sauber genug, dass man jederzeit on jedem erdenklichen Ort in diesem Zimmer hätte essen können, ohne sich auch nur den kleinsten Gedanken um Infektionen oder Ähnlichem machen zu müssen – auch hinter den Schränken und Kommoden, falls der Platz mal wirklich knapp wurde. Das hier war Himes Reich, hier tobte sie sich den halben Tag lang aus, wenn sie nicht gerade auf Mission ging – hier entstanden alle möglichen Köstlichkeiten von einer einfach Tasse Kaffee, bis hin zur aufwendigen, mehrschichtigen Sahnetorte, was man dem Dunstabzug leider auch ansehen konnte... also nicht die Sahnetorten, sondern all die Dinge, die auf dem Herd, statt in dem recht geräumigen Ofen fabriziert wurden... Wenn man die Küche betrat, konnte man auf der linken Seite, in ein paar Schritten Entfernung durch einen breiten Durchgang treten, der zum Esszimmer führte, das außer dem obligatorischen, mit einer weißen Tischdecke ausgestatteten Holzgestell mitsamt den dazugehörigen Stühlen noch über ein Fenster, in dem man den ganz und gar nicht grünen „Hinterhof“ der Plattform zwei betrachten konnte, weshalb es mit einem verhältnismäßig blickdichten, roten Vorhang verdeckt wurde. Dieser Raum war ernsthaft absolut nichts besonderes, wenn man ihn nicht jahrelang als Lern- und Verzweiflungszimmer für die Hausaufgaben hatte nutzen müssen und über die entsprechenden Erinnerungen verfügte. Das Esszimmer war der Ort, an dem Shingo seinen Töchtern verzweifelt versucht hatte, Go beizubringen und gelegentlich ihre Hausaufgaben der Akademie kontrolliert hatte. Außerdem befand sich, wenn man durch die Tür ging, die direkt wieder zurück auf den Flur führte, direkt gegenüber ein kleines Kämmerchen, in dem die Reinigungsutensilien aufbewahrt wurden, zusammen mit einem kleinen Luk, das in den winzigen Heizkeller des Hauses führte. Die Decke des Abstellraums war zum Bad hin abgeschrägt; ein Hinweis auf die darüber liegende Treppe, die zu dem Wohn- und Schlafbereich der Familie führte: Von der Raumanordnung her unterschied sich diese Etage relativ drastisch vom Erdgeschoss, hier würde erst offensichtlich, dass es im Zuge des Projekts “Familienwohnungen“ doch einiges an Umbauanstrengungen gegeben hatte:
Wenn man der Treppe, die ihres Winkels wegen grundsätzlich immer im Dunkeln lag, erstreckte sich vor einem ein Flur, der die Hälfte der Länge desjenen hatte, der sich durch das Erdgeschoss schlängelte und von dem ganze drei Türen abgingen, bevor er schließlich an einem kleinen Fensterchen mit etwas hüft hohem Grünzeug davor endete. Von der Treppe aus gesehen, führten die beiden Türen linksseits zum Zimmer der beiden Schwestern, wie zum Schlafzimmer der beiden Produzenten, während der Raum, den man durch die Tür auf der rechten Seite erreichen konnte, als Wohnzimmer diente; mit schwerem Wohnzimmerschrank, Sofaecke, Kotatsu, und was nicht noch alles dazu gehört. Hier spielte sich der Hauptteil des Familienlebens der Isuzus ab hier wurde gelacht und geweint, gestritten und sich vertragen, einfach alles, was so eine Familie so zusammenhält, fand hier statt; Außer dem Mittags- und Abendessen, das strikt unten im Esszimmer eingenommen wurde. Der Wohnraum wird durch die gewaltige, mindestens acht Tonnen schwere Schrankwand an der Rückseite des Zimmer dominiert, die dem ganzen Raum etwas beengtes verleiht. Daran kann auch das niedrige Kotatsu nichts ändern, an dem sich meistens Shingo und Minko herumtreiben, Tageseinnahmen zählen, Kreuzworträtselheftchen lösen, oder dergleichen. Miyu war das Ganze eigentlich nichts, aber sie tat sich diese Langeweile gelegentlich aus bloßer Solidarität an, obwohl sie eigentlich viel lieber draußen wäre, um irgendwelche Dinge mit ihren Freunden zu unternehmen. Dass Himeko zusätzlich noch lieber ihre Zeit in der Küche verbrachte, machte diesen Raum fast ausschließlich zur Elterndomäne, wenn Shingo seine beiden Kinder nicht jedes Wochenende aufs Neue zu seinen spontanen Go-Abenden in eben jenem Zimmer schleifen würde.
Das Schlafzimmer der beiden älteren Hausbewohner war genau so langweilig, wie geheimnisvoll und bedarf keiner weiteren Erwähnung: Bett, Kleiderschrank, Kommoden und Nachttischlämpchen, sei es, wie es sei; das wichtigste kommt schließlich noch: Das Mädchenzimmer der beiden Töchter des Hauses! Die Tür, die in dieses Zimmer hinein führte, war genau so schmucklos, wie alle anderen Türen in dieser Wohnung auch; eine Langeweile, von der beim Öffnen nicht mehr viel übrig bleiben dürfte, denn einmal drinnen, eröffnete sich einem ein geradezu grotesker Anblick: Der Eher längliche Raum war verhältnismäßig groß und seine Inneneinrichtung gleich zwei mal in gespiegelter Ausführung vorhanden. Hinter der recht geräumigen, „freien“ Fläche im Eingangsbereich befand sich am nahesten bei der Tür auf jeder Seite des eher länglichen Zimmers ein kleiner Drehstuhl in Holzoptik, der aber eigentlich aus irgendwas ganz anderem gemacht war und an einem nicht sehr großen, aber überraschend geräumigen Schreibtisch stand, auf dem auf Himekos linker Zimmerseite ein Häuflein Schriftrollen fein säuberlich und nach Themenbereich geordnet herumlag, während sich auf Miyus Schreibtisch lediglich ein uralter Schreibblock fand, der seine besten Tage ganz eindeutig schon eine ganze Weile hinter sich hatte, nebst einer ganzen Sammlung, unangespitzter Bleistifte. Hinter den beiden Tischen, an denen die beiden Schwestern unzählige Stunden des Lernens verbracht hatten, stand jeweils en Bett mit rosafarbenem Bettbezug und ganz eindeutig liebevollst gefaltet, wobei rechtsseitig deutlich sichtbar eine Zerstörungswut eingesetzt hatte, die die mühevoll aufgerichtete Ordnung schändlich ignorierte. Kurzum, Miyus Hälfte war ein Chaos, während Himekos Zimmerseite derart sauber war, das sie beinahe durchsichtig wurde. Bildlich gesprochen, konnte man sich in diesem Zimmer einen fließenden Verlauf der Unordnung vorstellen, der je nach Zimmerseite eindeutig markierte, wessen Revier man da gerade betrat. Einziger größerer Unterschied zwischen den Domizilen der beiden Schwestern? Jungsposter an den Zimmerwänden auf Miyus Seite!!! Wenn man sich die Zeit nahm, hätte man eventuell noch ein wenig Glück, einen Fetzen von der Tapete darunter ausfindig zu machen, der noch unbedeckt war, aber man musste Glück und Zeit – oder etwas von beidem in antiproportionalem Verhältnis – mitbringen, wenn man auf Erfolg hoffen wollte. An Hime-chans Wänden hingen bestenfalls drei Zettelchen mit Kleinkinderkrakeleien, auf die sie inzwischen nicht mehr so wirklich stolz war...
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Himeko war von stetig wachsender Nervosität geplagt, den ganzen Weg über hatte Yumi kein Wort darüber verloren, dass Himeko es vorgezogen hatte, draußen zu warten. Stattdessen hatten sie sich über alle möglichen dinge unterhalten, wie man es eben so tat, wenn man miteinander unterwegs war. Die ganze Zeit über fragte sich die Brünette, wie Yumi es wohl wirklich aufgenommen hatte, dass ihr die Gedanken einen Augenblick entgleist waren, und ob sie jetzt vielleicht nur noch aus Höflichkeit mitkam, um sich nicht die Blöße eines Meinungswechsels geben zu müssen, oder so was. Um ein haar hätte sie vor lauter Nachdenken sogar die Haustür verpasst, an der sie eigentlich hätten anhalten müssen, sodass sie ein wenig abrupt abbremste, um die Kurve noch zu kriegen: »Ähm... Hier ist... also, äh, i-ich wohne hier, Yumi-chan...« verwies sie mit einer langsamen Geste und einem peinlich berührten Lächeln auf die schmucklose Tür: »E-es ist nichts besonderes, aber ich hoffe, d-das ist in Ordnung...?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das Mädchen mit dem sie ihre erste Aufgabe verbracht hatte, jetzt urplötzlich in Hohngelächter verfiel, aber man konnte ja nicht wissen. So seufzte sie leise vor sich hin, während sie den Hausschlüssel aus ihrer Tasche klamüserte, ihn langsam drehte und die Tür, die daran hing mit einem leisen klicken öffnete: »I-ich bin Zuhau-« »NEE-CHAN!!« Himeko zuckte zusammen. Selbst, als sich Miyus Arme schraubstockartig um die Hüften Himekos wickelten und die nur wenige Zentimeter kleinere ihr Gesicht an Himekos Brust versenkte, brauchte sie noch eine gute Sekunde, um sich aus ihrer Starre zu lösen – das war unvorhergesehen, aber keinesfalls unvorhersehbar, denn es sah Miyu einfach ähnlich! Viel interessanter war da folgender Gedankengang: Wenn Yumi schon gelegentlich Probleme hatte, Hime-chan nicht zu mustern, wie schwer würde es wohl jetzt werden, wo sie gleich zwei solcher Geräte um sich herum hatte? Gut, Miyu hatte kürzeres Haar und weit mehr Kleider am Leibe, aber trotzdem! »Willkommen Zuhause, Neechan!« Murmelte sie, obwohl Himeko noch nichtmal einen halben Schritt in die Wohnung hinein hatte tun können: »Ähm, danke, Neesan, könnten wir, ähm... reingehen?« Dass sie mit „Wir“ nicht Miyu und sich selber, sondern Yumi meinte, ging aus der Situation vorerst nicht hervor; auch Neesan schien das vorerst nicht zu bemerken, bis sie sich im Eingangsbereich mit den Schläppchen befanden: »Uo! Du hast ja wen mitgebracht!« Miyus Blick rastete auf dem Gast ein, während sich in ihrem Gesicht ein breites Lächen ausbreitete: »Mein Name ist Isuzu Miyu! Neechan hat bestimmt schon eine ganze Menge über mich erzählt, oder? Freut mich! Ich sag gerade Tohsan bescheid Hime~!« Tohsan... eine Variable, die sie nicht einkalkuliert hatte. Nicht, dass er peinlich oder so wäre, obwohl er das in bisschen war. Aber es war nicht er selber, der ihr gerade Unbehagen verursachte, sondern seine Angewohnheit, einem Gast jedes einzelne Familienmitglied in Waltons-Manier vorzustellen. Himeko quittierte – mangels Alternativen – mit einem Nicken und beugte sich ausladend vor, um ihre pfuschneuen Ninjatreter auszuziehen. Dass Yumi direkt hinter ihr stand und einen ausgezeichneten Blick auf ihr wertes Hinterteil abbekam? Das bemerkte sie absolut nicht. Es galt die Traditionelle Familienbegrüßung irgendwie zu überstehen.