Ein Blick auf die Uhr. 13:30 Uhr. Dreißig Minuten noch – das reichte! Das reichte auf jeden Fall! Die 16-Jährige sprang aus der Dusche, wirbelte das Handtuch um die Haare und ein weiteres um den Körper, kramte nach ihrem Make-Up. „Natsu! Jetzt lass mich endlich ins Badezimmer!“, keifte eine männliche Stimme von draußen und donnerte mit der Faust gegen die Tür. „Ich bin noch nicht fertig!“, kam prompt als Antwort zurück. „Natsu, du kannst dich gleich weiter fertigmachen… ich muss nur kurz…“ Doch die männliche Stimme konnte gar nicht enden, da entgegnete die Weißhaarige bereits: „Ich hab keine Zeit! Verkneif es dir oder nimm die Spüle!“ Tja… das veranschaulichte ganz gut, was an diesem Mittag in der Wohnung Hasekura vor sich ging.
Chinatsu beeilte sich damit, ihre heutige Kleidung überzuwerfen. Da es immer noch herbstlich draußen war, fielen die ganz knappen Sachen leider alle raus. Stattdessen entschied sich die 16-Jährige für ein olivfarbenes Strickkleid, das bis knapp zu den Knien reichte und die schlanke Figur des Mädchens durchaus betonte. Die Füße und Beine wurden von hellbraunen, hohen Stiefeln verdeckt und um den Hals wollte sich die Weißhaarige ein weites, helles Tuch werfen. Und ihre Haare? Was sollte sie heute mit ihren Haaren machen? Die Hasekura musterte den unordentlichen Knoten auf ihrem Kopf im Badezimmerspiegel, doch noch ehe sie eine abschließende Entscheidung hatte treffen können, klingelte es an der Tür. Die gelben Augen sahen sofort zu der Uhr. Moment! Das war 15 Minuten zu früh! Verdammt!
Es gab leider keinen anderen Ausweg. Chinatsu rannte quer durch die kleine Wohnung, kam polternd vor der Haustür zum Stehen und riss diese auf. Und wie erwartet: Vor ihr stand Rai. „Hi!“, antwortete sie ihm abrupt, sah dann auf den Blumenstrauß in seinen Händen herab. Blumen? Wow, der machte ja echt ernst! Doch ehe sie darauf reagieren konnte, musste ein anderer Gedanke geäußert werden. „Du bist zu früh! Ich bin noch gar nicht fertig!“ Ob der Takeshi sich die Ankunft so vorgestellt hatte? Er wurde von der Weißhaarigen am Handgelenk gepackt und in die Wohnung gezerrt. Im Wohnraum angekommen, schubste sie Rai mit ein wenig Nachdruck in Richtung des gläsernen Tisches, der mittig im Raum stand. „Warte hier. Und das mit den Blumen wiederholst du nochmal, wenn ich fertig bin, ja?“ Und schon huschte die 16-Jährige davon.
Der Raum, in dem Rai zurückgelassen worden war, sah nicht besonders luxuriös aus. Wie bereits erwähnt stand mittig ein Glastisch, umkreist von ein paar Stühlen. Esstisch? Ja, vermutlich. Zudem fand man ein breites Bücherregal an der einen Wand (die Bücher lagen querbeet darin, nicht besonders aufgeräumt), an der gegenüberliegenden Seite gab es eine große Fensterfront (die jedoch durch Vorhänge größtenteils verdeckt war). Dazu fand man noch eine kleine Couch und einen ebenso kleinen Fernseher in dem Wohnraum – der Fernseher war allerdings so verstaubt, dass man davon ausgehen konnte, dass er nicht allzu oft in Benutzung war. „Ah. Du bist also der Grund, warum Natsu das Badezimmer blockiert?“ Ein junger Mann erschien im Eingang zum Wohnzimmer, lehnte sich mit verschränkten Armen vor der Brust gegen den Türrahmen. Der Mann war in etwa so groß wie Rai, hatte dunkle Haut, genauso weiße Haare und auch gelbe Augen wie Chinatsu. Er musterte den Takeshi, dann sah er auf den Blumenstrauß. Er grinste schief. „Junge, Junge. Blumen?“ Der junge Mann im weißen Shirt und in lockeren Hosen löste sich vom Türrahmen und ließ sich auf einen der Stühle am Glastisch fallen. „Ich bin Kenshin, Natsus Bruder.“ Er lehnte sich nach hinten, deutete auf einen der Stühle. „Mach es dir lieber bequem, ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass Natsu noch ne Weile braucht, bis sie mit ihren Haaren zufrieden ist.“ Er musterte den Takeshi, grinste dann. „Ich dachte ja, Natsu wäre nur mit einem Kumpel verabredet, aber Blumen bringt man ja wohl kaum als Kumpel mit. Also, erzähl mal: Wie kommt es, dass du meine Schwester datest?“