Es gab gewisse exotische Vorteile in gewissen exotischen Nachteilen. Gesetzt der Fall, eine Person wurde ständig von irgendwelchen Windgeistern umgeben … ja, das Leben dieser Person war rechtschaffen im Eimer. Ständig war es windig, was nicht nur das Haarekämmen, sondern auch das Ankleiden erschwerte, nicht zu vergessen, dass die meisten Mitmenschen dann ganz schön blöd schauten, wenn bei Windstille die Person vor einem wie ein Windbeutel aussah. Aber für den Fall, dass man mal in einer überhitzten Lavahöhle feststeckte, war das sicher ein Vorteil. Man konnte auch das Beispiel anführen, dass, wenn man schon wie eine überdimensionale Pflanze aussah, dies nicht weiter ins Gewicht fiel, wenn man eh ein zweigespaltener Kannibale mit Farbtopfverwandtschaft war, nicht wahr? Es gab für alles etwas Positives.
So gab es auch für Junkos geringfügiges Problem des inneren Zwists einen positiven Effekt, und zwar nur einen einzigen. Sie – oder eher der Kagebunshin - fühlte sich momentan nämlich etwas abgebrühter als gewöhnlich, weniger emotional und wesentlich zynischer als sonst. Das wiederum bedeutete, dass sie rasiermesserscharf schloss, dass der Feind entweder ein überpowertes, absolut fieses Jutsu an ihr ausprobierte oder dass sie in einem Genjutsu feststeckte, was einfach mal viel wahrscheinlicher war. Die plötzliche Fixierung durch Ketten sprach dafür, ebenso wie dieses albtraumhafte Auftauchen von Prof. Dr. Frankenstein … nur, ehrlich gesagt fand sie ihn gerade mit seinem Gekicher und seinen leuchtenden Brillengläsern ein wenig albern. Seit drei, fast vier Jahren war sie Shinobi, länger Chuunin als Genin. Auf ihrer ersten richtigen Mission hatte sie dem Tod ins Auge gesehen und irgendwie überlebt, auch wenn sie einen zerschnittenen rechten Arm und damit ein hässliches Narbengeflecht davon getragen hatte. Auch wenn sie sich mit Medizin nicht auskannte, hatte sie die Zähne zusammengebissen und dem Mediziner zugehört, als er sie bei irgendeiner Mission mit einem aufgemachten toten Körper neben sich auf dem Tisch über dessen Todesursache aufgeklärt hatte (und danach den Fußboden des Flurs vollgereihert). Einer der Shinobi, die sich aufs Foltern spezialisiert hatten, mussten natürlich ihr rein wissenschaftliches Interesse als Faszination missverstehen und sie genauestens über die Schmerzensgrenzen aufklären, während sie selbst auch ein gehöriges Genre-Wissen durch Bücher aufnahm. Meine Güte, dieses Mädchen war zwar lange nicht so abgehärtet wie Eishun, bei weitem nicht, aber in diesem Moment fand sie seinen Auftritt mit den spiegelnden Gläsern wirklich ein wenig zu klischeebehaftet und unfreiwillig komisch. Sie hätte ja gelacht, aber irgendwie war es dann doch nicht soooo komisch, insbesondere angesichts der Tatsache, dass er mit seinem Skalpell auf ihr Auge zuhielt … das war grausig. Das war unappetitlich. Selbst der hartgesottenste und älteste Shinobi wendete den Blick ab, wenn es an die Augen ging. Das war nur natürlich, ergo war es kein Wunder, dass auch Junko es hier mit der Angst zu tun bekam, die Augen zukniff und die Zähne zusammenbiss, unfähig, sich auch nur ein Stückchen weit zu bewegen. Die Erkenntnis, dass sie in einem Genjutsu feststeckte, reichte nicht, um die Angst zu bewältigen. Sie war hilflos ausgeliefert … aber das hatte sie schon kommen sehen, nicht wahr? Warum wurde ihr dann fast schlecht?
Es war eine Erleichterung, als die Illusion aufgelöst wurde und Prof. Dr. Frankenstein sie per Nähen (interessant) festsetzte und einen deutlich ramponierten Kibo anwies, sie zu verhören – natürlich nicht, ohne ihr vorher mit einem Explosionssiegel mit dem sofortigen und sicheren Ableben zu drohen. Uuuuuuh, furchterregend. Wirklich.
Irgendwie unbeeindruckt beobachtete sie nunmehr Kibo, welcher offenbar zunächst ein sadistisches Vergnügen empfand, sich mit ihr befassen zu dürfen, was wohl aus einem Rachegefühl herrühren durfte – so zumindest interpretierte Junko sein Rumreiten auf den eigenen Verletzungen. Er fing sich aber recht schnell wieder und fing an, ihr Blut injizieren zu wollen. Dabei konnte nur die grausame Wahrheit zutage gefördert werden, welche er auch sogleich an den Kittelmann weitergab.
„Jaaahaaa, das ist nicht mehr als ein Bunshin.“, echote sie ein wenig spöttelnd, ließ Kibo aber keine Zeit, irgendwelche Einsprüche zu erheben.
„Das bedeutet, dass Kibo seine Aufgabe, mich zu verhören, nicht erfüllen kann. Ich bin zwar absolut kooperativ und bereit, Fragen zu beantworten, aber hey, MICH fragt ja niemand. Stattdessen stellt unser kleiner Blutjunge hier fest, dass er seine Techniken in Ermanglung eines Blutkreislaufs nicht an mir ausüben kann, und was heißt das? Scheint so, als wäre Kibo-kun damit handlungsunfähig. Tsk, kein Blut, kein Kibo. Dabei hätte er doch soooooo gerne gefragt, ob die kleine Hyuuga in meinem Team ist, und das kann er nur mit seinen Bluttechniken, aus welchen Gründen auch immer. Tja, ich weiß, wo sie ist. Du musst mich nur fragen. Oder kannst du nicht, so ganz ohne deine Techniken?“
Ob der Kagebunshin spöttelte, damit Kibo die Fassung verlor oder ob er einfach nur Zeit gewinnen wollte, soll in diesem Moment noch ein Geheimnis bleiben. Fest stand, dass Junko – oder eher ihr Bunshin – irgendwie latent gelangweilt wirkte, was möglicherweise als provokativ aufgenommen wurde.
„Schade, diese kleinen Obsessionen sind alles, was du hast, nicht wahr? Tagein, tagaus verlangen sie von dir dasselbe, lassen dich geschmacklose Frühstücksflocken essen, schicken dich auf irgendeine langweilige Mission, um irgendjemand Schwaches zu beschützen, blablabla. Jeden Tag dasselbe. Da stehen sie vor dir in ihren angestaubten Westen und wollen dir erzählen, wie du deine familiären Fähigkeiten am besten einsetzt und wissen nicht im geringsten, wie es sich anfühlt, Macht über den anderen zu haben, ganz einfach, weil man den wichtigsten Bestandteil im menschlichen Körper kontrollieren kann. Sie können das nicht, und trotzdem geben sie dir Anweisungen, geschmacklose Frühstücksflocken und schauen auf dich herab, wenn du mal eine klitzekleine Anweisung nicht beachtest und stattdessen die Phantasie spielen lässt. Pflicht, Arbeit, Routine, laaaaangweeeeiiiliig! Aber dann gibt es da Leute wie Itoe – meine Güte, sie kann alles sehen, sogar die winzigkleinen schmutzigen Geheimnisse des ach so schwachen Körpers und dich anlächeln, während sie deine Eingeweide mit einer sanften Berührung zu Mus bearbeitet. Sie intelligent, mächtig und wunderschön … deiner würdig, könnte man sagen. Und nicht zu vergessen spannend.“
Wie suggestiv selbst so eine Kopie doch sein konnte, nicht wahr? Ohne Frage, Junko improvisierte hier und erzählte im Zweifelsfalle Geschichten, aber es ging eher darum, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass sie genau wisse, was sie da rede – denn wenn sie anfing, dieses Bewusstsein auszustrahlen, dann bestand immerhin eine geringfügige Möglichkeit, dass ein etwas willensschwacher Geist anfing, tatsächlich den Müll zu glauben, den sie da brabbelte.
„Aber deine Überlegenheit, wo ist sie jetzt? Vergangen mit deinen Bluttechniken. Kein Blut, keine Macht, keine Überlegenheit. Plötzlich bist du auf dem untersten Ende der Nahrungskette, insbesondere, wenn ich dich darauf hinweisen muss, dass wir die Tochter des Händlers schon heute Morgen in Sicherheit gebracht haben. Bedaure, aber ihr seid mehrere Stunden zu spät dran und mal ganz davon abgesehen auch in der ganz falschen Richtung unterwegs. Kein Blut, keine Technik, Mission gescheitert. Wie fühlst du dich jetzt, Kibo? Nutzlos? Wie der armselige Wurm, der kaum andere Interessen hat und hilflos wird, wenn man ihn der einzigen Sache beraubt, die er gut kann, außer wie ein Pfau durch die Gegend zu stolzieren? Dachte ich es mir. Kann mich bitte mal jemand anderes verhören, irgend jemand mit Mumm? Dankeschöööön!“
Moment mal, in all dem Gesabbel war doch tatsächlich eine wirklich wichtige Information versteckt – nämlich diese, dass der Bunshin einen Auftrag hatte. Kein Wunder, dass er hier in der Gegend am herumtigern war – die Mission, welche sich übrigens arg von der Mission unserer guten Sora-Nins unterschied, war an einem anderen Ort als ursprünglich vorgesehen. Der Bunshin hier war nur eine Ablenkung gewesen. Das wiederum bedeutete, dass hier entweder die eine Hand nicht wusste, was die andere tat und sich hier mehrere potenzielle Sora-Shiro-Clash-Missionen überschnitten oder dass jemand hier irgendwem anderes eine falsche Missionsbeschreibung geliefert hatte.