Oh ja, da sprudelte pure Begeisterung aus Yakumo. Frisch und übermütig wie ein munterer Bergbach, der- Nein, dachte Yamato (dem es nicht viel anders ging) zerknirscht. Bergbäche hatten das unbeschreibliche Privileg nichts anderes sein zu müssen als kleine Wasserläufe, die sich mehr oder weniger halsbrecherisch von irgendeinem Berg ins Tal stürzten. Anders als Shinobi, die mir nichts dir nichts Handwerker sein sollten.
“Vielleicht wär ein neuer Schrein gar nicht so schlecht ...“, murmelte der Tsukigata niedergeschlagen, als er das baufällige Gebäude gemeinsam mit Yakumo inspiziert hatte und dabei die schier unzähligen Schäden gesehen hatte. Auf die Frage des Weißhaarigen musste er jedoch grinsen.
“Gut möglich. So genau weiß das keiner.“. Seine Antwort mochte etwas rätselhaft erscheinen, aber seine Herkunft war an der Stelle nicht weiter von Bedeutung. Auch wenn er kein Geheimnis daraus machte, dass das ein weißer Fleck in seiner Biographie war.
“Aber mein Handwerkstalent wartet noch auf seine Entdeckung.". Und da konnte es vermutlich ewig warten. Zum Glück hatte Yakumo einen Fahrplan parat, der auch Yamato vernünftig schien.
“Machen wir das so.“, stimmte er zu und setzte seinen Rucksack ab, um darin herumzukramen. Mmmh, lecker Calciumtabletten (davon stopfte sich der Tsukigata direkt zwei in den Mund), aber auch ein etwas zerfledderter Notizblock und ein Kugelschreiber.
“Akarui-samas Vertrauen in allen Ehren, aber wenn wir hier ernsthaft loslegen, machen wir mehr kaputt als wir reparieren würden. Gerade wenn der Schrein mit seinen ganzen Siegeln so empfindlich ist.“. Ein kleiner, ungewohnt gemeiner Teil von ihm (der noch aus der Phase mit Keiji stammen musste) wollte gern wissen, was passierte, wenn die Ofuda oder gar die Schriftrolle beschädigt wurden. Aber gegen Yamatos Pflichtbewusstsein und den Wunsch, dass Yakumo seine Prüfung erfolgreich beenden konnte, kam der kleine Bastard nicht an und verkroch sich rasch wieder in den Tiefen des Unterbewusstseins.
“Also - Liste und dann der Balken.“, fasste er zusammen. Ersteres war schnell erledigt, auch wenn Yamato sich beherrschen musste, dem Onmyô nicht einen fein säuberlich gefalteten Zettel mit
„Alles im Eimer, bitte neu!“ in die Hand zu drücken. So aber wurde es eine sehr detaillierte Liste, die sich über das Format von vier doppelseitig beschriebenen Notizzetteln erstreckte. Na, der würde sich freuen ...
Für den Balken brauchten die beiden deutlich länger.
“Übernimm du lieber das Klettern. Ich bin zu schwer und reiße nur noch mehr ein.“. Zwar hatte die Treppenstufe eben schon unter Yakumos Gewicht nachgegeben, aber sie mussten ja kein unnötiges Risiko eingehen. Die Konstruktion war vergleichsweise einfach und die vor ihnen liegenden Arbeitsschritte klar. Das sollten sie doch schaffen, oder?
’Niemals, ihr Versager., säuselte es böswillig aus der Schriftrolle. Huh? Irritiert hielt Yamato inne. Hatte er das wirklich gehört oder war es nur seine eigene Unsicherheit, die sich gerade Raum schaffen wollte? Ob Yakumo auch etwas gehört hatte? Besser, er sagte nichts, sonst hielt er ihn am Ende wirklich noch für bekloppt.
’Tut er bestimmt schon. Taugenichts, alle beide. Noch nicht mal ein simples Holz könnt ihr austauschen.‘. Nein, so was würde er vielleicht über sich, aber doch nie über Yakumo denken!
’Vielleicht bist du auch einfach nur verrückt ... wäre ja kein Wunder. Genin, pah. Du hast das Atmen nicht verdient!‘. Yamato schluckte und versuchte sich darauf zu konzentrieren, den morschen Balken, den der Shiromori gerade herauslöste, zu stützen, so dass er nicht krachend zu Boden fiel. Knirschend schoben sich seine Fingerknöchel hervor und bohrten sich tief in das dunkle Holz. Er atmete schwer, aber ... das war nur die Anstrengung. Ganz sicher.
’Nein, das ist die Erkenntnis, dass du hier nichts verloren hast ... Nicht hier und auch sonst nirgends.‘. Der Tsukigata ächzte leise. War der Balken gerade schwerer geworden? Egal. Egal. EGAL! Sollte er ihm doch auf den Kopf fallen, aber loslassen würde er das Ding nicht, solange es nur den Hauch einer Chance gab, dass Yakumo seine Prüfung bestehen konnte. Zum Glück arbeitete der Shiromori zügig und so hatten sie den alten Balken bald entfernt. Der neue ließ sich dann auch recht unproblematisch an Ort und Stelle einfügen, auch sie dabei weiter von lautlosen Kommentaren begleitet wurden, die wie ätzendes Gift an ihrem Selbstbewusstsein fraßen. Nun, zumindest an dem von Yamato. Was Yakumo hörte –
ob er überhaupt etwas hörte –, wusste er nicht.
Einige schwarze Strähnen klebten ihm auf der verschwitzten Stirn, als sie die Arbeit endlich, endlich beendet hatten und den unheilvollen Schrein vorerst hinter sich ließen, um Akarui-sama zu suchen.
“Puh ... das war was.“, kommentierte Yamato, ohne genauer darauf einzugehen. Das Laufen an der frischen Luft tat gut und jeder Schritt, den sie zwischen sich und den Schrein bringen konnten, machte es ein kleines bisschen besser.
“Akarui-sama!", sprach Yamato den Onmyô an, als sie ihn in der Nähe der Registratur gefunden hatten. Der Tsukigata übernahm kurzerhand das Reden, weil er nicht wollte, dass Yakumo die schlechte Nachricht überbringen musste, nicht alles geschafft zu haben.
“Wir haben den Schrein gründlich inspiziert und einen der tragenden Balken ausgetauscht, der gefährlich morsch geworden war. Zumindest die Einsturzgefahr sollte damit behoben sein.“. Er reichte dem rätselhaften Mann die Liste.
“Aber die Schäden sind doch umfangreicher und uns fehlt das handwerkliche Geschick dafür.“. Akarui studierte die vier Zettel eingehend und machte dann erst einmal
„Hmmmm.“. Er warf einen suchenden Blick über die Schulter und fand bald, was – oder vielmehr wen – er gesucht hatte.
„Koji-san! Holt Euch ein paar Eurer Leute und kommt zu mir!“, rief er einem kräftigen Kerl mit struppigem Bart zu, der gerade einen Balken (nicht schon wieder!) glatthobelte. Er nickte und verschwand schnellen Schrittes.
„Nun, gute Arbeit, ihr beiden ...“. Akarui machte eine Kunstpause, in der er die beiden Shinobi etwas zu intensiv musterte, als dass es noch angenehm gewesen wäre.
„Koji und seine Männer werden sich um die schwierigeren Arbeiten kümmern, aber geht ihnen dabei bitte noch zur Hand und passt auf dass nichts ... mmmh, Ungewöhnliches passiert.“. Gern hätte Yamato seinem wackeren Mitstreiter einen verzweifelten Blick zugeworfen, doch sein Pflichtbewusstsein schaltete sich ein und leitete es in eine höfliche Verbeugung vor dem Onmyô um.
“Sehr wohl, Akarui-sama.“.
Alles ging einmal zu Ende. Selbst eine gleichermaßen schlauchende wie verstörende Schicht im Land der Zimmerleute, Siegelmeister und Tentakelschriftrollen. Als die Schatten lang geworden waren und alle Arbeiter ihr Werkzeug zusammenpackten, wurden auch Yakumo und Yamato entlassen.
“Endlich...“, murmelte der Tsukigata und lächelte den Shiromori erschöpft an.
“War mir eine Ehre, Yakumo-kun. Aber wir haben uns den Feierabend jetzt wirklich verdient. Und du dir eine Empfehlung für den Rangaufstieg.“. Wenn nicht durch diesen Knochenjob, dann wusste Yamato auch nicht weiter.
“Schau jetzt, dass du dich gut ausruhst. Und lass mal wieder von dir hören, wenn du Lust auf ein Training oder sonstwas hast.“. Damit trennten sich die Wege der beiden vorerst und Yamato hoffte sehr, dass sie, wenn sie sich das nächste Mal begegneten, den gleichen Rang innehaben würden. Verdient hatte es der Shiromori in seinen Augen jedenfalls mehr als nur ein bisschen.
- 終わり -