Akio blickte mit neugieriger Miene zum Tresor des Schmiedes und dachte darüber nach, wie viele Sekunden es ihn wohl kosten würde, das Schloss zu knacken. Wenn man so geschickte Finger wie er besaß, die auf feinmotorische Handlungen trainiert waren und sich zudem auch noch mit Mechanik befasste, war es nicht sonderlich schwer, solche Riegel zu öffnen, man brauchte nur ein paar kleine Werkzeuge, die sich in der Werkstatt des Fukazawa ebenso wie in jedem Damenausstatter und Friseurladen fanden. Ja, Akio wusste, was erstgenannte Läden so im Angebot hatten, aber in diese Materie musste man ja nun nicht tiefer eindringen. Als er ihm einen der Barren zuwarf, reagierte er schnell genug, um ihn mit einer Hand aufzufangen und interessiert zu mustern. Natürlich hätten viele andere wenig daran finden können, immerhin war es ein vergleichsweise normaler Barren, normal groß und mit einer ebenen Oberfläche, aber Akio erschlossen sich andere Dinge sofort. Zum Beispiel war der Barren ungewöhnlich leicht. Es wirkte ein wenig so, als handele es sich um Eisen, aber hätte er die Augen geschlossen, so hätte er auf Aluminium getippt, einfach weil das Gewicht so gering war. Es schien also eine relativ geringe Dichte zu besitzen, wirkte aber dafür recht stabil, als er prüfend über die Oberfläche fuhr. Man kannte immerhin auch Metalle, die schnell zerkratzten, sich sogar mitunter fast schon eindrücken ließen, aber das hier wirkte recht statisch. Was es nur war...? Susumu hatte es "sein Metall" genannt, was zusammen mit der seltsamen Art, wie er den Tresor geöffnet hatte, für Akio nur einen Schluss zuließ: Die Kinzoku konnten offenbar Metall produzieren. Wie auch immer das vonstatten ging, es reichte locker aus, um Schlüssel oder ganze Barren zu produzieren, selbst wenn er gerade ein höchst befremdliches Bild vor Augen hatte, in dem Susumu von einem ausgedehnten Klogang mit einer Tüte... na ja. Vielleicht sollte man da eher nicht drüber nachdenken. Während die roten Augen noch auf dem Barren ruhten, begann der Kinzoku wieder zu sprechen und redete davon, dass die Eigenschaften des Metalls scheinbar ein Geheimnis waren, das er nicht unbedingt verbreitet gesehen haben wollte. Akio konnte eine Oper von solchem Wissen quatschen, immerhin hatte seine Großmutter ihm auch immer eingetrichtert, bloß niemanden in seine eigenen Geheimnisse einzuweihen. Insofern blickte er einigermaßen verständnisvoll auf und wartete auf die Bedingungen, die er stellen würde. Zugegebenermaßen überraschte es ihn nicht mal mehr besonders, als der Schwarzhaarige nach dem Verwendungszweck des Metalls fragte. Natürlich, es konnte immerhin jeder Idiot vorbeikommen und das haben wollen, wahrscheinlich trieb den Schmied etwas zwischen Neugierde und Besorgnis, wo sein Material abbleiben würde. Wie also sollte er es ihm am besten erklären?
Akio war im Grunde seines Herzens ein ehrlicher Mensch, aber dafür umso exzentrischer. Er war ein Schauspieler, er liebte es, Dinge in Szene zu setzen, Dramatik aufzubauen, Spannung zu schüren. Er würde Susumu schon sagen, dass er ein Puppenspieler war, aber sicherlich nicht mit genau diesen Worten. "Ich bin ein Puppenspieler" war ja wohl das langweiligste überhaupt! Nein... es traf sich doch eigentlich ganz gut, dass die Schriftrolle mit seiner Kampfpuppe sowieso schon in seiner Hand lag und beinahe darauf wartete, beschworen zu werden. Natürlich würde er sie ihm nicht erklären, er musste ihm nichts von dem Gift darin erzählen, nicht den Chakraschild erwähnen, aber da Abazure ansonsten eine recht schlichte junge Dame war, die eher mit Offensive, denn mit Tricks arbeitete, würde es schon nicht schaden, sie ihm zu zeigen. Zumal er dann im Zugzwang sein würde und sich sicherer fühlen sollte, immerhin stand es dann Geheimnis gegen Geheimnis. Er hätte ihm natürlich auch Sennyo auf die Schulter hopsen lassen können, aber mal ehrlich... Abazure machte mehr Eindruck und ließ dank ihrer gruseligen Fremdheit auch ein wenig Gefahr mitschwingen. War es sinnvoll, jemandem seinen Willen zu verweigern, wenn man wusste, dass man von einer Riesenpuppe angegriffen werden könnte? Nein. Man musste eben auf jede Reaktion vorbereitet sein. So schlich sich also ein breites Lächeln auf die Lippen des Blonden, der beobachtete, wie sich Susumu in seinen Sessel fallen ließ. Wunderbar, Publikum, setze dich und staune!
"Natürlich gebe ich dir eine ehrliche Antwort, Kinzoku-san, denn ich bin ja kein Lügner.", meinte er und drehte die Schriftrolle in seiner Hand, bis sie waagerecht lag, ließ den Verschluss aufschnappen und entrollte sie langsam, bis das Papier bis zum Boden reichte und einige Schriftzeichen darauf erkennbar waren, während er weiter redete: "Dein Metall soll nicht zu einer normalen Waffe werden, keine Bange..." Mit einem typischen Entsiegelgeräusch und der bekannten leichten Rauchentwicklung löste er die Siegel, die die Marionette im Inneren der Rolle hielten und konzentrierte sich sofort leicht auf seine Fingerspitzen, knüpfte unsichtbare Fäden, die sich an den Gelenken der Puppe fixierten und sie in eine gerade Haltung hinter ihm bugsierten. Abazure war groß, größer noch als der ohnehin schon schlaksige Junge selbst, furchterregend fast mit ihren roboterartigen Beinen, den halb entblößten Körper und dem starren Gesicht. Mit einer ausladenden Geste bewegte Akio seine rechten Arm zur Seite und verbeugte sich leicht, nicht wie zur Begrüßung, sondern als nehme er schallenden Applaus entgegen, während sich synchron die drei Klingen des rechten Armes entfalteten (Und fast die Wand berührten, der Raum wirkte irgendwie auf einmal deutlich kleiner...) und schließlich vor Akios Körper stehen blieben, als dieser sich wieder aufrichtete. Vielleicht hatte Susumu ja schon einmal einen Puppenspieler gesehen oder eine Marionette begutachten können, aber ein kleines Stückchen seines Egos sagte ihm, dass das hier wahrscheinlich in einer anderen Dimension spielte. "Es würde vielmehr eine hübsche Dame komplettieren, wenn auch eine etwas kleinere..." Die schlanken Finger des Jungen strichen gedankenverloren über den metallenen Arm der Marionette, der wie ein Schutzschild vor ihn gelegt worden war und blickte Susumu darüber freundlich lächelnd an. "Also... wärst du nun bereit, mir ein wenig mehr über dieses Material zu erzählen?"