-> Grenze zu Ishi no Kuni
Es war schön, dass Izuya offen mit Mai sprechen konnte. Sie kannten einander mittlerweile und mochten sich, doch hier bekam Mai gerade einen kleinen Vertrauensvorschuss von dem Taijutsuka, was sie durchaus ehrte. Die Kumo-Kunoichi gehörte zu den Teamleitungen, welche sich nach dem Befinden der Teammitglieder erkundigten und dabei gerne tiefer griffen, als nur oberflächlich nachzufragen. Sie hatte einfach mit der Zeit gelernt, dass offen besprochene Zweifel und Nöte weniger erschreckend waren, wenn man sie zuvor auf den Tisch gelegt hatte. Mit ernster Miene sah Mai Izuya direkt in die eisblauen Augen und hörte aufmerksam zu, als er sich öffnete. In den ersten Sekunden lächelte sie verständnisvoll, doch dann wurde ihr Gesicht ernst. Wegen ihres Bruders? Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie hätte Izuya nicht davon erzählen sollen. Sie hatte ihren persönlichen, emotionalen Konflikt mit ihm geteilt und nun bürdete er sich eine Verantwortung auf, welche er nicht tragen musste. Doch wie könnte Mai ihm diesen Druck nehmen? Würde sie ihre Worte zurücknehmen, könnte sie Izuya suggerieren, dass sie ihm nichts zutraute. Doch dem war nicht so. Mai wollte lediglich, dass er den Kopf frei von ihren Problemen bekam.
Sie hielt Izuya kurz und sanft am Arm fest und deutete ihm somit, dass er stehen bleiben sollte. Noch immer befanden sie sich auf dem Weg ins Gasthaus. Schnell hatte sie wieder von ihm abgelassen und stand ihm nun lächelnd gegenüber. „
Du wirst das nicht in den Sand setzen, Izuya“, begann sie sofort beruhigend. „
Ishida-san hat uns wertvolle Ratschläge erteilt und natürlich sollten wir versuchen, uns daran zu halten, er kennt diese Räuber schließlich am besten durch seine Analysen. Aber auf kaum einer meiner Missionen konnte ich mich an einen Plan halten, verstehst du?“ Sie hielt kurz inne und wartete ab, ehe sie weitersprach: „
Wir können nicht ausschließen, dass dir oder mir - oder sonst wem auf unserem Weg - ein Fehler passiert. Es wäre dumm, wenn wir das täten. Stattdessen müssen wir standhaft bleiben und flexibel genug sein, uns neuen Umständen anzupassen. Ein Fehler muss nicht das Scheitern der Mission bedeuten. Vertrau mir, Izuya. Und du hast mein vollstes Vertrauen“ In welch schreckliche Lagen war Mai schon geraten! Die waren alles andere als „planmäßig“ gewesen. Erst auf der letzten Mission in Yugakure wurde sie plötzlich selbst zum entführten Opfer und fand sich in einem Kerker im Bergwerk wieder - auch damals konnte sie das Blatt noch wenden. „
Und mach dir wegen Daisuke keine Gedanken. Es ist nicht dein, aber auch nicht mein Auftrag, ihn zu finden. Lass uns doch einfach hoffen, dass wir nebenher an ein paar Informationen zu ihm kommen. Und sei es nur, dass er.. dass er nicht mehr..“ Izuya wusste, was Mai sagen wollte. Nach diesem Gespräch, welches dem Taijutsuka hoffentlich geholfen hatte, nahmen sie ihren Weg wieder auf.
Trotz ihrer Ansprache vorhin kam Mai im Gasthaus nicht drum herum, ebenfalls zu äußern, dass dieser Auftrag eine besonders harte Nuss werden würde. Izuyas Reaktion auf ihr Geständnis ließ ihren abwesenden Blick von der Tischplatte zu ihm gleiten, wobei ihre Augen größer wurden. Stumm sah sie ihm einfach nur in die eisblauen Augen. Als sich seine Hand auf ihre gelegt hatte, brach ein Strudel aus Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen in ihr aus. Eine Mischung, welche sie sofort unterdrückte, sodass sie Izuya nur noch aufrichtig anlächeln konnte und die Röte in ihrem Gesicht jedoch verblieb. Dank der Kellnerin, welche in diesem Moment kam, regulierte sich auch ihr leicht gestiegener Puls wieder. Es war schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt, über all das, was gerade über sie herein gebrochen war, nachzudenken. Über all das, was war. Und das, was ihr plötzlich neu war.
Die Getränke wurden serviert und Mai staunte nicht schlecht über den.. proteinreichen Bananenmilchshake von Izuya, der in einem schönen, kelchförmigen Glas serviert wurde. Ein wenig zu neugierig hatte sie ihn bei seinen ersten Schlücken beobachtet, bis sie nicht anders konnte, als ertappt aufzulachen: „
Ich hab‘ so was noch nie getrunken! Darf ich mal probieren?“, fragte sie gut gelaunt und freute sich, als Izuya ihr sein Glas rüberschob. Sie schnappte sich den Strohhalm und nahm einen vorsichtigen Schluck. „
Oh, das ist gut! Werde ich jetzt stärker? Ich bin ziemlich schwach, was die reine Körperkraft betrifft!“, gestand sie ihm lachend.
Die beiden hatten sich noch eine Weile unterhalten und merkten gar nicht sofort, dass sich der Gastraum füllte. Eine Gruppe Reisender betrat erleichtert das Etablissement und freute sich auf ein erfrischendes Getränk. Mai sah Izuya nur überrascht nach, als dieser ihr wies, kurz zu warten. Neugierig wandte sie sich auf ihrem Stuhl um und beobachtete den Shinobi, wie er mit einem der Reisenden ins Gespräch kam. Leider konnte Mai nicht verstehen, was sie beredeten, doch Izuya deutete auf sie und daraufhin sah auch der Mann kurz zu ihr. Unbeholfen lächelte Mai ihm zu und wusste sonst auch nicht, was sie tun sollte. Dafür aber entglitten ihr ihre Gesichtszüge, als der Mann Izuyas immense Muskeln begutachtete. Das war nicht gut! Er sollte keinen Verdacht schöpfen.. Selbst, wenn sie die beiden Undercover-Shinobi mitnehmen, so durften sie nicht die Hoffnung hegen, durch Izuya und Mai Schutz zu bekommen.. Und schon schlugen die beiden Männer ein und schüttelten sich grinsend die Hände. Wow, das war ja einfach! Unweigerlich musste Mai ebenfalls grinsen.
Lachend nickte sie, als Izuya zurückgekehrt war und erzählte, welchen Tribut er zu zahlen hatte: Gepäck schleppen! „
Ich kann dir sicher was abnehmen!“, kicherte sie und freute sich innerlich, dass sie sich den Händlern anschließen konnten. Doch leider war diese Freude nicht von Dauer, denn dann sprach der Taijutsuka das aus, was Mai befürchtet hatte: Sie wissen wohl, dass sie Shinobi sind. Dafür konnte Izuya nichts, doch das war nicht gut. „
Wir werden das vehement abstreiten“, sagte Mai in einer nicht gekannten Ernsthaftigkeit. Sie sah ihn eindringlich an und senkte ihre Stimme: „
Uns fällt sicher etwas ein, aber von dieser Idee müssen sie abkommen“ Sie hatte nicht die Zeit, Izuya ihre Sorgen diesbezüglich zu erklären, doch vielleicht verstand er es auch so. „
In einer halben Stunde brechen wir auf! Wir wollen unser Lager an einer Quelle im Ishi no Kuni aufschlagen, daher müssen wir bald weiter“ Um ihnen dies mitzuteilen, war der Mann, mit welchem Izuya verhandelt hatte, extra zu deren Tisch gekommen.
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Seit gut zwei Stunden waren die Shinobi nun schon mit den Händlern unterwegs. Es handelte sich um sieben Personen, fünf Männer und zwei Frauen. Die Alterspanne reichte von Anfang zwanzig bis rund um fünfzig Jahre, zumindest war das die Einschätzung der Kumo-Kunoichi. Zwar hatte sie sich als Mai vorgestellt, allerdings reiste sie mit ihrem Freund Izuya nach Sôhon, da er dort von einem Juwelier angeheuert wurde, der ihm in den Gebirgen des Landes dabei helfen sollte, Kristalle und Edelsteine zu finden. Etwas Besseres war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen, aber die Händler erkannten, dass man für so eine Arbeit ein starker Mann wie Izuya sein musste. Nur Goro, der Älteste der Gruppe, welcher wohl auch der Anführer zu sein schien, hatte milde über diese Geschichte gelächelt, fragte aber nicht weiter. Doch die beiden Shinobi hatten Glück, denn diese Gruppe bestand ausschließlich aus netten Leuten. Es war so angenehm, mit ihnen zu reisen und sich zu unterhalten, dass man beinahe vergessen konnte, warum man es eigentlich tat. „
Ist dir das nicht zu schwer?“, fragte Mai irgendwann bei Izuya nach, nachdem sie sich zu ihm hatte zurückfallen lassen. Bewundernswert, wie viel er stemmen konnte. Bestimmt hätte er noch mehr tragen können, doch dann wäre es auffällig geworden. „
Und ich kann dir wirklich nichts abnehmen?“ „
Lass ihn nur, Mai! Das packt der Gute schon!“, lachte Goro auf und klopfte Izuya auf die freie Schulter. Entschuldigend grinste sie den Blauhaarigen an. „
In etwa zwei Stunden haben wir die Quelle erreicht, von der ich euch erzählt habe. Das ist gut, dann schaffen wir es vor Einbruch der Nacht, unser Lager aufzuschlagen. Wenn ihr Glück habt, spielt Yang uns dort etwas auf seiner Shamisen vor!“
@Akinawa Izuya