Gut, dass er... einfacher gestrickt war...? Mushiro wusste nicht ganz, was er ob dieses fragwürdigen Kompliments empfinden sollte, was für ein Gefühl Mai von ihm erwartete, daher hob er nur kurz eine Augenbraue. „Danke... schätze ich“, antwortete er, ohne groß überzeugt zu klingen, und machte es sich auf seinem vorübergehenden Sitzplatz etwas gemütlicher. „Konnte dir also helfen? Cool...“ Er nickte lässig und überblickte die Manege. Dann stand er auf. „Wenn du nichts dagegen hast, bereite ich jetzt meine Nummer vor. Solltet ihr auch machen, wenn ihr was vorzubereiten habt.“ Und mit diesen Worten verschwanden seine Hände in seinen Jackentaschen und er ging langsam in Richtung der Mitte des Zelts, mischte ein wenig im Heu herum, das den Boden darstellte, und zog sich dann zurück hinter die Vorhänge. Was er vorhatte? Ja, die Frage mochte man sich stellen...
Die Vorstellung vor Mushiro war allgemein wenig begeisternd... die einzige Ausnahme, wenn man von Mai absah, waren zwei Akrobatinnen, die sich als wirklich, wirklich dehnbar erwiesen. Das war der einzige Teil der Vorstellung, den er sich wirklich fasziniert ansah – auch, wenn sich das auf seinem Gesicht wohl nicht zeigte. Aber es war schon eine Kunst, sich so zu bewegen, und das noch dazu in solch freizügigen Kostümen... Wenn man das nicht würdigte, musste man schon ein enormer Banause sein! Rein kulturell sprach es den Tochiba an. Und rein kulturell wünschte er sich, Mai und Shika hätten so etwas probiert, als er sie darum gebeten hatte...
Apropos Mai, endlich begann ihr Teil in dieser Aufführung und damit die Stelle, die wirklich interessant werden würde! Was den Tochiba ein wenig überraschte, war, dass ihr Fokus überhaupt nicht darauf lag, Raiton zu verwenden, sondern auch sie sich lieber an artistisch-akrobatischen Übungen versuchte, und so schön es auch war, ihr dabei zuzusehen, wie sie durch die Gegend hüpfte und jeden Teil ihres Körpers in Bewegung brachte, konnte der Rotschopf sich nicht helfen mit dem Gefühl, dass die Begeisterung gegenüber seiner Vorstellung darunter leiden konnte. Seine Fähigkeiten gestatteten ihm ja auch nicht viel mehr, aber glücklicherweise hatte er immerhin ein System, nach dem er vorgehen konnte. Mit etwas Glück würde das genügen, um aus dieser Sache einen Erfolg zu machen...
Angekündigt wurde er direkt nach Mais Vorstellung mit den Worten, die er dem Ansager in den Mund gelegt hatte: Der Meister der Multiplikation, der aus Etwas Nichts macht und aus Nichts Etwas. Der große und einzigartige... Tochiba Mushiro! Selbstsicher machte er sich auf den Weg in die Manege, mit nicht mehr als einem kurzen „Nicht übel“, als er auf seinem Weg Mai passierte.
Sein Eintritt in die Manege war ein ninjatypischer Sprung, und als er aufkam, formte er gerade seine Fingerzeichenkette zu Ende, um in einer weißen Wolke aufzugehen und plötzlich in einem schwarzen Anzug dazustehen. „Meine Damen und Herren, der große Mushiro!“, rief er hervor, und seine Stimme war auch ohne Mikrofon oder Ähnlichem laut und allgegenwärtig – ein Hoch auf die Kunst des Stimmenimitators! Während er in die Mitte der Manege schritt, sprach er weiter: „Wir wollen aus Etwas Nichts machen? Dann brauchen wir erst Etwas! Einen Moment!“ Und wieder formte er Fingerzeichen. Dieses nächste Jutsu war wirklich die Grundlage aller Grundlagen, erfüllte seinen Zweck allerdings wundervoll, als plötzlich in der Mitte der Manege ein kleines Stück Baumstamm zu sehen war. In ein Stück Papier versiegelt, das er hier unter dem Heu versteckt hatte, wartete dieser Stamm schon eine ganze Weile auf diesen Auftritt – und er war nicht allein. „Das reicht nicht! Wir wollen mehr!“, rief der Rotschopf, während er auf den Stamm sprang, und plötzlich tauchten vor und hinter ihm zwei weitere auf. „Noch mehr!“, fuhr er fort, und zwei weitere entstanden links und rechts von ihm, um ein großes Kreuz in der Mitte der Manege zu ergeben. „Hm... nein, fünf sind etwas zu viel“, meinte er dann und versiegelte das Holz, auf dem er selbst stand, um unsanft zu Boden zu fallen. Es tat ein bisschen weh, aber ein Lachen ging durch das Publikum, also war das in Ordnung. Außerdem wurde er ja gerade erst warm.
Mais Beispiel folgend, begab auch er sich die Pfeiler des Zeltes hinauf, formte dabei allerdings Fingerzeichen, ehe er vier Shuriken aufnahm und absprang. Er warf die Shuriken, doch um sie herum bildete sich gleich noch ein Schwarm von ihnen – die Wurfwaffentäuschung. Alle zusammen gingen diese Waffen auf die vier Blöcke übrig, die am Boden standen, doch schlussendlich blieben nur vier stecken, eines in jedem Block, und Mushiro landete relativ elegant auf seinen Füßen, um sich seinen Applaus einzufangen. Gut, es funktionierte... Mai hatte sie noch nicht für ihn verdorben. Dann konnte er ja zu den großen Tricks kommen!
Noch im Verneigen ließ er eine kleine Kugel fallen, die mal eine normale Rauchbombe war. Er, der oft genug gesehen hatte, wie sein Großvater Rauchbomben selbst herstellte, hatte sie etwas abgeschwächt, damit die Sicht in dem Zelt nur für wenige Sekunden verdeckt wurde und die Spannung nicht verloren ging. Als sich der Rauch allerdings lichtete, stand eine ganze Horde an Mushiros da, wo zuvor nur ein einzelner gewesen war. Diese Menge an Doppelgängern konnte man sich bei einem Bunshin nur wünschen – die Nebeldiener waren ein anderes Kaliber! Doch welcher war der echte? Nun, er zog mit einem lauten Klatschen die Aufmerksamkeit auf sich – und stand zwischen zwei Zuschauerreihen, was ihm einen netten Applaus bescherte. Dann neigte er sich hinüber zu einem jungen Mädchen und lächelte sie an. „Einen hübschen Teddy hast du da“, meinte er freundlich. „Ist es okay, ihn allen zu zeigen?“ Sie nickte etwas schüchtern und hob das Bärchen hoch, auf das kurz darauf von einem Scheinwerfer beleuchtet wurde. Mushiro verschwand indes in die Mitte, und in dem Moment, in dem sich die Aufmerksamkeit von dem Teddybär löste, lösten sich auch seine Doppelgänger auf und ließen ihn wieder zum Zentrum werden. Die vier Baumstümpfe hatte er inzwischen wieder auf einen minimiert, auf den jetzt der Scheinwerfer von eben deutete. Er formte Fingerzeichen, und kurz darauf erschien... genau der Teddy, den alle gesehen hatten, in jedem Detail perfekt. Doch das war es noch nicht. Es erschien ein zweiter Bär, ein dritter, ein vierter, bis sie in alle Richtungen in die Zuschauerreihen sahen und der Applaus den Tochiba überschüttete, der den Moment nutzte, um eins seiner Siegelpapiere, das er eben aufgehoben hatte, auf den Baumstumpf zu legen, unsichtbar unter den falschen Teddys. Dann fanden seine Hände wieder zueinander, und im nächsten Moment stand an der Stelle der Bären ein weiteres Stück Holz. „Und nun, Damen und Herren“, rief er in die Manege und atmete einmal tief durch. Er war sich nicht komplett sicher, ob er das hinbekommen würden, denn er wusste noch nicht lange, dass er das überhaupt konnte – eigentlich erst seit seiner letzten Mission. Und er beherrschte auch nur dieses eine Jutsu... „Machen sie sich bereit... für das große Finale meiner Show!“ Langsam und hingebungsvoll, eben ganz der Showman, formte er die letzten Fingerzeichen für heute, dann hielt er seine Hände vor. „Shouton: Suishou Kyou“, murmelte er vor sich hin, und mit einem Mal begann das Holz, zu kristallisieren. Er konnte Flächen bis zu zwei Metern kristallisieren, also sollte es mit diesem Block eigentlich funktionieren...
Langsam breitete sich ein glänzendes Grün auf der Oberfläche des Holzes aus, und nach kurzer Zeit hatte sich der Baumstumpf in einen zylinderförmigen Smaragd verwandelt. Dass Mushiro Schweiß auf der Stirn stand, konnte dabei hoffentlich keiner sehen. „Aus Nichts mache Etwas...“, wiederholte er deutlich hörbar seinen bekannten Spruch, dann deutete er energisch auf den Kristall. „... und aus Etwas mache Nichts!“ Dann löste er sein Jutsu auf, und der Kristallspiegel – oder Zylinder – zerfiel in kleinste Kristallsplitter, die der Luft dort, wo er gestanden hatte, eine schön glitzernde Atmosphäre verpasste. Bis Mushiro sich umwandte und die Manege verließ. Das war Tochiba Mushiro, Illusionist par excellence und Meister der Multiplikation, so lauteten die Worte, die der Ansager seinen Anweisungen entsprechend dem Ende seines Auftrittes zugedachte, und der Applaus der Besucher machte das selbstsichere Lächeln, dass der Rotschopf trug, als er wieder in den Bereich für die Darsteller trat, umso passender.