„Grmml grmml grmml… was ich hier mache, grmml… Leute verdächtig finden, grmml… Ist ja wohl die Höhe, grmml… euren Mist doch alleine, grmml…“
Es brauchte nun wirklich keinen Hellseher, um mitzubekommen, dass Oita mit der Einschätzung seiner Person durch Hatsune und Yukio ganz und gar nicht zufrieden war. Nicht nur, dass der Furasaki seit dem Abstieg der ungleichen Vierergruppe hinab in die Kanalisation von Sohôn nichts Besseres zu tun hatte, als halblaut in seinen nicht vorhandenen Bart zu grummeln… Nein, es war darüber hinaus auch relativ einfach, dem Genin seine Unzufriedenheit im verzerrten Gesicht abzulesen, und das sogar trotz der relativen Finsternis der Abwassertunnel. Mit seinen leicht geröteten, etwas aufgeplusterten Wangen, den misstrauisch zusammengekniffenen Augen, sowie einer nachdenklich gekräuselten Stirn gab der Junge nämlich das Idealbild eines eingeschnappten und trotzigen Jungen ab.
Untergrub dieses Verhalten Oitas Autorität und Glaubwürdigkeit nur noch mehr? Sicher, natürlich. Doch andererseits waren die beiden wohl schon in dem Moment flöten gegangen, als sich der Junge vor dem Abstieg zwei Stoffstreifen aus dem Mantel gerissen und sich in die Nase gesteckt hatte. Dort saßen sie übrigens immer noch, was Oitas Gemurmel nicht nur trotzig, sondern auch schrecklich näselnd klingen ließ.
*Aber wen kümmert das schon? Ich bin doch eh bloß der… der F-Fußabtreter dieses Teams, hab ich so das Gefühl! Dabei ist es doch so offensichtlich, warum man uns in dieser Konstellation hergeschickt hat!*
Die Nachhut des kleinen Trosses bildend warf Oita seinen zwei Kollegen einen mürrischen Blick zu, während er sich in Gedanken weiter gut zuredete:
*Yukio wurde ausgesucht, weil er mit Toten sprechen kann. So kann er leicht herausfinden, wer unsere Opfer getötet hat. Diese Hinwiese kann Hatsune, oder besser gesagt, Hatsunes Kater dann benutzen, um den Täter ausfindig zu machen und ihm nachzuschnüffeln.
Doch was dann, hmm? Den Täter nur zu finden, das ist ja nicht alles! Irgendwer muss den ja auch noch festnehmen! Mit ihm kämpfen, ihn dingfest machen, und so weiter! Und wer, bitteschön, wäre besser für genau das geeignet, als ein junger, fitter und kampferprobter Genin, hmm? Hmm?! Absolut niemand, ganz richtig! Ich, Furasaki Oita, bin der… der Muskel des Teams! Leibwächter, Prügelknabe, Mann für’s Grobe… Die Klinge des Teams! Ja, das klingt gut, sehr gut sogar!*
So erfolgreich Oita sich allerdings selbst lobte, während die Gruppe den kurzen Weg zu ihrem Ziel zurücklegte, versetzte ihm die Ankunft beim jüngsten Opfer ihres noch unbekannten Gegenspielers einen scharfen Stich sowohl ins Herz, als auch in die Nase – Letzteres trotz der zwei Stoffknöllchen in der Nase des Genins.
*Meine erste Leichte… Mist, eh…*
Anders als Yukio gab sich Oita aller größte Mühe, den Toten so wenig wie möglich anzuschauen. Tatsächlich bezog Oita sogar ein wenig arg abseits der Gruppe Stellung und machte eine Show daraus, angestrengt in die Finsternis der verwinkelten Tunnel zu spähen.
*Wenn mich jemand fragt, was ich da tue, sage ich einfach, ich, äh… Sichere den Tatort. Genau. Dann können Yukio und Hatsune in Ruhe Hinweise sichern, ohne von Passanten… Äh… gestört zu werden?*
Selbst in Oitas Ohren klang diese Entschuldigung reichlich hanebüchen, so unwahrscheinlich wie es war, dass die Gruppe hier unten irgendwem begegnen könnte. Andererseits hatte Nanaka ja gesagt, dass sich manchmal dann doch Kinder oder irgendwelche Besoffenen hier hinunter verirrten...
*Hmm, Apropos…*
Ohne seinen Blick von der Dunkelheit der Kanalisation abzuwenden, wartete Oita geduldig darauf, dass Yukios erste Fragen Richtung Nanaka bezüglich der Tat beantwortet waren, bevor er selbst das Wort ergriff:
„Wenn sich ab und zu Leute hier herunter verirren… Irgendwie als Zeuge gemeldet hat sich niemand, oder?“
„Nein“, hallte Nanakas Stimme an Oita vorbei. „Zumindest hat sich bisher noch niemand an uns gewendet.“
*Was nicht viel heißt. Wenn zum Beispiel irgendein Kind etwas gesehen hat, wird es allein deshalb nichts sagen, weil es damit zugeben müsste, sich verbotenerweise hier herumgetrieben zu haben. Zumindest würde es mir so gehen.*
Oita zog eine Schnute, warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter, gerade so weit, bis er Yukio und ein Fitzelchen der Leiche sah, und schaute dann direkt wieder in die genau entgegengesetzte Richtung.
„Ich bin sicher, Ihre Leute machen das auch so, aber sagen Sie ihnen trotzdem, dass sie die Ohren offen halten sollen. Und wenn Sie nochmal irgendwen aufgreifen sollten, wie er sich hier unten herumtreibt, dann ist eine gründliche Vernehmung wohl das Mindeste. Und zwar egal ob Trunkenbold oder Straßenkind.“
Einen so offensichtlichen Hinweis zu geben war Oita irgendwie peinlich, ganz zu schweigen davon, dass es für ihn eigentlich gar keinen Grund gab, sich in der aktuellen Phase der Ermittlungen groß einzubringen.
*Immerhin haben wir Yukio. Der braucht nur etwas Ruhe von unserem Aufpasserling, hmm… Soll ich den irgendwie ablenken? Nein, länger als ein paar Augenblicke wird der Yukio sicher nicht in Frieden lassen. Andererseits…*
„Hey…“, begann Oita wie nebenbei. „Warum holen wir zwei…“ Der Genin schaute zu Nanaka. „…nicht schonmal diesen einen Karren, hmm? Sie und ich, wie wär’s? Schließlich, und da sind wir uns ja bestimmt alle einig, ist es umso besser, je früher wir die Leiche hier weg bekommen. In der Zwischenzeit können Hatsune und Yukio auf unseren Kumpel aufpassen, den Tatort weiter untersuchen, Hinweisen nachspüren, das ganze Programm. Wir wären den beiden da sowieso nur im Weg.
Stimmt’s?“
Oita schloss seinen Vorschlag mit einem vielsagenden Blick in Hatsunes Richtung. Nanaka hatte bisher nicht den Anschein gemacht, als wolle er das Team in Ruhe machen lassen, aber vielleicht konnte man ihn ja mit vereinten Kräften aus der Kanalisation heraus mobben. Ihm ein schlechtes Gewissen machen, Zeitdruck beklagen, solche Sachen. Und selbst, wenn das nicht klappte, dann hatte Oita wenigstens einen Vorschlag gemacht.
*Nicht, dass hier nochmal jemand hinterfragt, warum ich überhaupt da bin… Grmml…*