
Im ersten Moment verblüfft, wandelte sich der Gesichtsausdruck der Hayabusa zu einer finsteren, deutlich missmutigen Miene. Was war denn bitte deren Problem? Sie war doch nicht diejenige, die hier so unpassend gekleidet war. Die Weißhaarige war doch eine Kunoichi - oder nicht? Da war ein solches Verhalten doch einfach beschämend - sich wie eine Prinzessin hilfesuchend an einen vermeintlich strahlenden Helden zu klammern und bei diesem Schutz zu suchen. Natürlich nahm Joudan diese Rolle nur zu gern an und stellte sich sogar leicht schützend vor die Fremde; was sollte denn das? Hatte das Mädel keinen Stolz? Wenn ihr etwas nicht passte, sollte sie ihren Mund aufmachen oder sich wehren oder sonst was - und nicht bei jemanden "Schutz" suchen - als ob man vor ihr Schutz suchen musste. Verächtlich schnaubend betrachtete sie die ganze Szenerie. Kannte Joudan sie nicht inzwischen gut genug um zu wissen, dass sie nichts Übles im Schilde führte...? Die Hand wieder in ihre Hosentasche steckend wandte sie den Blick ab. Was...war das für ein stechendes, unangenehmes Gefühl in ihrer Brust? Warum ging es ihr so gehörig gegen den Strich die Beiden so nah .. so vertraut miteinander zu sehen?
"Das ist Hayabusa Kaya, eine gute Freundin meinerseits." Joudans Worte klangen in ihren Ohren wie der reinste Hohn - wie konnte er sie als
gute Freundin bezeichnen, wenn er ihr anscheinend irgendwas unanständiges zutraute? Das konnte er sich wirklich stecken. Ihre feinen, schwarzen Brauen zogen sich noch tiefer in ihr Gesicht. Damit war ihre Laune endgültig im Keller. Macht er sich über sie lustig? Was sollte das...? Sie wollte einfach nur noch weg von diesen
Turteltauben und wandte sich ab. Den Namen der Fremden bekam sie zwar mit, nahm ihn jedoch nur am Rande zur Kenntnis. Für sie selbst würde die junge Dame wohl erstmal das
"Prinzesschen" bleiben. Gerade als sie sich daran machen wollte die Treppenstufen empor zu steigen, vernahm sie durch Sakus aufgeregtes Verhalten Shunsuis Anwesenheit. Der Rabengeist hatte den blonden Shinobi inzwischen akzeptiert und schien sich sogar zu freuen, wenn er ihn sah. Ein wohliger Schauer ging ihr durch den Körper und ihre Laune stieg augenblicklich - erst jetzt wurde ihr bewusst wie sehr sie den Blonden eigentlich vermisst hatte. Als sie herum fuhr um ihn anzusehen, trafen ihre Augen auf die seinen - wie sehr sie den Anblick der goldenen Seelenspiegel vermisst hatte...! Sein leichtes Lächeln ließ auch ihre Mundwinkel nach oben zucken und vertrieb für einen Moment ihre bedrückte Stimmung, ehe er sich der Prinzessin widmete. Dabei störte es sie weniger, das er sich ihr vorstellte - so gehörte es sich immerhin - sondern der Anblick seines neuesten Modeaccessoires. Diese Weste...die trugen doch Chuunin...oder?
War er etwa...? Ungläubig weiteten sich ihre Augen, als Joudan bereits aussprach, was sie dachte - er war befördert worden...! Sie freute sich ehrlich für ihn - doch wieder schmerzte ihr Herz und sie spürte ein starkes Stechen, deutlich stärker als das zuvor. Warum... wusste sie nichts davon? Es verletzte sie - gut, sie hatten sich in letzter Zeit kaum gesehen aber dennoch... sie schlug den Blick nieder. Hatte sie sich etwa auch in ihrer Beziehung zu dem Jirokou geirrt? Nur gedämpft nahm sie Joudans Glückwünsche wahr, während sie selbst wie angewurzelt da stand und sich für einen Moment nicht rühren konnte. Saku spürte sogleich das etwas nicht stimmte und zupfte nervös an seinem eigenen, leicht aufgeplusterten Federkleid. Kaya war völlig durcheinander, ihr Herz war ihr schwer geworden und ein gewaltiger Kloß hing ihr im Hals. Ihre Hände, die nach wie vor in ihren Hosentaschen steckten, ballten sich wie vor der Begegnung zu Fäusten und ihre Schultern spannten sich an, während sie versuchte zu schlucken. Es war untypisch für sie; doch sie fand keine Worte. Sie sagte nichts, wandte sich schließlich kommentarlos ab und ging nach Joudans kurzer Ansprache voraus die Treppen empor. Sie konnte nicht so recht zu fassen bekommen was sie gerade eigentlich fühlte - geschweige denn, überhaupt dachte oder denken sollte. Sie war überfordert und alles was blieb war eine alles vereinnahmende Leere: war das nicht ein Widerspruch in sich?
Hoffentlich war die ganze Bibliothek auf den Kopf gestellt, damit sie möglichst viel zu tun hatte. Anders als Joudan konnte sie ihre schlechte Laune nicht überspielen - das wollte sie auch gar nicht. Sie hatte es recht eilig endlich das Gebäude zu betreten und sich möglichst in Arbeit zu ertränken. An der massiven Holztür angekommen, stellte sie verwundert fest, das diese verschlossen war: stutzend klopfte sie und verhielt sich dabei überraschend zurückhaltend. Neugierig neigte Saku den Kopf und starrte auf das helle Holz, als würde dort gleich jemand hindurch geschwebt kommen. Plötzlich sträubte er seine Federn und die junge Hayabusa spürte, wie sich ihre feinen Nackenhaare aufstellten: sie schauderte und sah mit aufgerissenen, tiefschwarzen Augen gegen die Tür. Da drinnen... in der Bibliothek...da war etwas... ihre Irden zitterten, während sich Saku aus heiterem Himmel von ihrer Schulter abstieß und sich stumm kreischend in die Lüfte erhob. Auch er war in Alarmbereitschaft. Verwundert sah sie ihm nach: was ausgesprochen merkwürdig aussehen musste, dass sie stumm vor der Tür stand und plötzlich in den Himmel starrte. Als würde sie erwarten das ihr jemand aus den Wolken heraus Antwort geben würde. Fieberhaft überlegte sie, ob Saku sich schon mal so verhalten hatte ... konnte sich allerdings an keine Gelegenheit erinnern. Die Hände aus den Hosentaschen ziehend, wich sie einige Schritte von der Tür zurück; sie selbst war noch nie in der Bibliothek gewesen; das eine Mal, als sie mit der Akademie hier her gekommen waren, hatte sie sich geschickter Weise abgeseilt. Sie war nicht besonders scharf darauf diesen Ort zu betreten - obwohl sie Bücher ja ausgesprochen schätzte. Aber irgendwas... irgendwas hatte sie bisher davon abgehalten diese Räumlichkeiten aufzusuchen. Irgendetwas sorgte dafür, dass sie sich ihr ausgesprochen unbehaglich fühlte. Dieses Unbehagen stand jedoch zu keinem Zusammenhang mit ihrer vorherigen Missstimmung - diese war nun tatsächlich wie verflogen. Knarrend öffnete sich die Tür schließlich einen Spalt und ließ Kaya leicht zusammen zucken. Ein alter Herr steckte seine Tür zwischen dem schmalen Türspalt hindurch und musterte die Anwesenden.
"Aaaah....!" stieß er anerkennend aus, als er die jeweiligen Stirnbänder der Vier erkannte und lächelte freundlich.
"Sehr gut, sehr gut. So viele junge Leute. Wir können jede helfende Hand gebrauchen, ja ja!" meinte er fröhlich und lächelte warm. Er wirkte etwas zersaust und recht verschroben - doch das war es nicht, was Kaya hadern ließ. In dieser wertvollen Stätte des Wissens... dort lauerte irgendwas. Irgendwas war dort. Ihre sonst so matten, tiefschwarzen Augen glänzten verheißungsvoll, während sich Saku wieder etwas weiter zu ihr hinab ließ, jedoch in der Luft verblieb. Ebenso angespannt und in Alarmbereitschaft versetzt wie sie selbst. Was... war das nur für ein komisches Gefühl...?
"Kommt rein, kommt rein. Ich zeig euch Alles." verkündete er fröhlich strahlend und schubste die schwere Tür noch etwas weiter auf, damit die Vier eintreten konnte. Anscheinend wäre die Bibliothek heute geschlossen blieben, wenn die Vier nicht gekommen wären... denn der alte Mann schien allein zu sein. Allein...nein... er... er war nicht allein.
"Ist außer Ihnen noch jemand hier?" fragte Kaya, während sie sich noch dafür hütete der Einladung nachzukommen und tatsächlich einzutreten.
"Dumme Frage, Kindchen!" schnaubte der Alte empört:
"Wenn noch jemand hier wäre, hätte ich wohl kaum um Hilfe gebeten." tadelte er sie mit scharfer Stimme. Anscheinend fühlte er sich auf den Schlips getreten; Kaya war heute wieder eine Meisterin im Synchronspringen der Fettnäpfchen-Meisterschaften.
Von dem alten Mann ging diese unheilvolle Aura nicht aus... aber woher kam sie dann? Wenn er allein dort drinnen war: von wem...? Weswegen sie beschlich sie eine so böse Vorahnung? Skeptisch musterte sie das Gesicht des Alten - er schien die Wahrheit zu sagen. Aber warum...warum sträubte sich dann Alles in ihr durch diese Tür zu gehen? Erneut hob sie den Blick und sah fragend zu Saku, der irgendwas im Inneren der Bücherei zu fixieren schien. Konnte es sein...? War es möglich das in der Bücherei ein Geist war...? Ein Tiergeist wohl möglich? Ihre Augen verengten sich und für einen winzigen Moment glaubte sie ganz entfernt im Dunklen einen Schatten zwischen zwei Regalen hin und her huschen zu sehen.
"Ihr helft mir heute beim einsortieren, verleihen und katalogisieren der Bücher." erklärte er bereits zwischen Tür und Angel, während er darauf wartete, das Alle eingetreten waren. Bereits jetzt hob er gut sichtbar beide Hände, die in dicke Bandagen gewickelt waren:
"Ich brauch nämlich Hilfe." erklärte er, als ob seine bandagierten Hände nicht für sich sprechen würden. Es ließ sich eben schlecht schreiben, heben oder tragen mit verletzten Händen. Was hatte er nur angestellt, dass er sich gleich beide Flossen verletzt hatte?