Es war nicht ganz einfach für Ingvi, mit anderen zu reden, ohne andauernd über deren Absichten nachzudenken und über die Signale, die sie ihnen zukommen ließen, ohne dass er sie verstand. Einerseits hatte er kein Vertrauen vorzuzeigen, sodass er über einen Großteil seiner Worte sehr genau nachdachte, andererseits war ihm auch bewusst, wie blind er gegenüber Dingen war, die viele für selbstverständlich hielten. Dass Empathie etwas war, das ihm nicht lag, und dass er kein Verständnis hatte für Gewohnheiten anderer. Umso vorsichtiger musste er sein, wenn er mit ihnen sprach. Jetzt für einen Abend diese Gewohnheit komplett abzulegen, einfach zu sagen, was ihm durch den Kopf ging, zu einer Person, die er nicht einmal kannte... Es war eine große Herausforderung für ihn. Solange er es schaffte, konnte er zwar sprechen, ohne überall Pausen einzulegen, aber wer wusste schon, wie lange er das aufrecht erhalten kann? Tatsächlich kostete es ihn noch ein ganzes Stück mehr Fokus als sonst, würde also vermutlich schnell anstrengend werden. Aber er wollte es zumindest probieren. Wollte für diesen einen Abend mal eine ruhige Unterhaltung mit Madame Fuchs haben, so wie jeder andere auch... Warum sollte das gerade ihm nicht vergönnt sein?
Die Tatsache, dass Mari sich doch mit dem Wasser befasste, war sehr beruhigend. Tatsächlich schien sie das Schwimmen sehr zu genießen, was man wohl als eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden bezeichnen konnte. Nicht ungern hätte der Rutako die Konversation von dieser günstigen Stelle aus fortgeführt, doch der Händler, an dessen Stand die beiden sich aufhielten, entschied sich, dem einen Keil vorzuschieben und die Bezahlung seiner Waren zu verlangen. Gut, das war rechtmäßig, kein Grund, auf ihn wütend zu werden, auch wenn der Rutako nicht unbedingt erfreut darüber war, unterbrochen zu werden. Er wollte schon sein eigenes Geld hervorholen, als ihm die Korrelation zwischen Maris Zahlung und dem Maskenpreis auffiel. Sie hatte mehr als nur ihre Maske bezahlt... natürlich konnte es theoretisch sein, dass sie noch Rückgeld erwartete, aber das Geld, das sie dem Mann in die Hand drückte, entsprach exakt zwei Masken! Sie fragte auch überhaupt nicht danach, etwas zurückzubekommen, akzeptierte einfach, dass der Händler alles behielt, was sie ihm gegeben hatte... War das eine Einladung? Wollte das Mädchen sich damit revanchieren für die Süßigkeit, die sie von dem Schwarzhaar erhalten hatte? Aber ein einfaches Mochi kostete nicht annähernd soviel wie eine handgefertigte, detailliert gearbeitete Maske aus Holz! Ein Ausgleich konnte das hier also nicht sein! Wollte sie vielleicht, dass er ihr etwas schuldete? Hatte dieses Monster ernsthaft vor, ihn in eine Situation zu bringen, in der er ihr Informationen geben musste, weil er ihr theoretisch Geld schuldete?
Einmal ordentlich durchatmend, beruhigte sich der Rutako wieder. Da war es; seine paranoide Art, alles an Information zu zerpflücken, was ihm gestellt wurde. Er hatte sie nicht darum gebeten, für ihn zu bezahlen, also schuldete er ihr gar nichts! Und wenn sie das Geld zurückhaben wollte, konnte er es auch einfach auszahlen; niemand konnte dagegen etwas einwenden. Sie machte sich also vermutlich keine Versprechungen darauf, ihm eine Kleinigkeit zu kaufen, die nur dazu diente, dass die beiden miteinander kommunizieren konnten. Sein Blick glitt wieder zu ihr, betrachtete ihr verstecktes Gesicht und folgte der Richtung, in die es gedreht war. Musiker, hm? Ähnlich dem Schattenspiel vor dem kleinen Laden, den sie soeben besucht hatte, war auch das hier sehr malerisch, eine fesselnde Szene dreier Künstler, die gemeinsam die Massen zu verzaubern versuchten, umgeben von tanzenden Blüten. Hier kam sogar noch eine geräuschvolle Untermalung hinzu; ruhig, aber mit Passion, eine Melodie, die die tänzelnde, unentschlossene, aber doch zielgerichtete Reise der Kirschblütenblätter fehlerlos einfing. Auch wenn Ingvi nicht unbedingt die Art Person war, die sich von Musik einfangen ließ und zu tanzen anfangen wollte, konnte er doch anerkennen, dass es sich hier um wohlgestaltete Kunst handelte. „Das ist... eine sehr schöne Melodie“, meinte er nach kurzer Stille zwischen den beiden, in der sie lediglich gelauscht hatten. Auch, wenn nicht wenige stehen blieben, um den Gitarren zu lauschen, hatte man selbst mit etwas Abstand einen sehr guten Blick auf die kleine Bühne, also konnte man sich ordentlich unterhalten, ohne die Show stören zu müssen. Das war sehr erfreulich. „Ich komme tatsächlich nicht oft dazu, Musik zu hören... das ist eine angenehme Abwechslung.“ Ob er wohl etwas begeisterter darüber sprechen sollte? Bis jetzt war er noch ziemlich analytisch...